Kommentar Rennen um den CDU-Vorsitz: Härter, als Mann denkt
Zwei Männer und eine Frau bewerben sich um den CDU-Vorsitz. Müssen Frauen deshalb für AKK sein? Oder siegen dann wieder die Klischees?
I m Ausland konnte man mit Angela Merkel ja immer ein bisschen angeben: Ja, wir langweiligen Deutschen haben eine Kanzlerin, die Regierung der größten Volkswirtschaft Europas vertrauen wir einer Frau an, wir nennen sie lässig „Mutti“. Eine weibliche Regierungschefin lässt sich in einer männerdominierten Welt wunderbar als Ausweis von Modernität und Weltoffenheit verkaufen, sie zeigt, wie progressiv wir drauf sind, egal ob es inhaltlich untersetzt ist oder nicht.
Wenn die CDU im Dezember über ihre/n neue/n Vorsitzende/n abstimmt, dann ist das auch eine Abstimmung über den oder die nächste Kanzler/in in spe. Insofern fragen sich auch Nicht-CDU-Mitglieder, wer die Christdemokraten demnächst führt – und wie sie das finden sollen. Erkennt uns bald niemand mehr auf Gruppenfotos von Gipfeltreffen, versinken wir wieder im Einheitsbrei der anthrazitfarbenen Anzüge? Ändert sich der Politikstil, kehrt der Herrenwitz zurück? Sollten sich nicht gerade Frauen mit der einzigen weiblichen Bewerberin unter den CDU-Kandidaten, mit Annegret Kramp-Karrenbauer, solidarisieren?
Wenn frau sich anschaut, wie sich die Riege der Basta-Männer, die ihren Zenit überschritten haben, hinter dem derzeit aussichtsreichsten männlichen Kandidaten Friedrich Merz versammelt, bleibt zunächst nur ein reflexhaftes: Ja, klar!
Erstmals haben sich die drei aussichtsreichsten BewerberInnen für den Parteivorsitz, Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz am Freitag zu dritt den Fragen von CDU-Mitgliedern gestellt. Eingeladen hatte die Frauenunion, die mit 155.000 Mitgliedern größte Gliederung innerhalb der CDU. Eineinhalb Stunden waren angesetzt, um sich mit den KandidatInnen über Themen wie Gleichstellung, sozialen Zusammenhalt oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auszutauschen. Die Diskussion selbst war nicht öffentlich, doch vorab gaben alle drei ein kurzes Pressestatement.
Interessant war dabei vor allem, wie sich die BewerberInnen zueinander verhielten. Fast kumpelhaft begrüßte Kramp-Karrenbauer den „lieben Friedrich“ und den „lieben Jens“, während Spahn nur die „liebe Annegret“ so vertraut anredete und etwas distanzierter den „lieben Herrn Merz“. Dieser begrüßte die beiden anderen noch neutraler mit „liebe Mitbewerberinnen und Mitbewerber“ und ließ auch ansonsten seinen Status als Anti-CDU-Establishment-Kandidat durchblitzen, in dem er hervorhob, dass er nach langer Zeit wieder im Konrad-Adeneuer-Haus sei. Aber: „Die Welt hat sich verändert und ich mich auch“, sagte Merz. Tatsächlich? Seine etwas gönnerhafte Bemerkung „Ohne Frauen geht es nicht“, rief bei mancher Frau im Raum Augenrollen hervor. Kramp-Karrenbauer hatte zuvor noch betont, in der CDU sei bei einem Frauenanteil von 26 Prozent noch viel Luft nach oben und klar gemacht: gegen und ohne Frauen sei keine Wahl zu gewinnen. Das war durchaus als Warnung zu verstehen. (ale)
Ein FDP-Vize Wolfgang Kubicki – der mal in der Zeit gesagt hat: Da sitzt Ihnen plötzlich eine Frau gegenüber, die Ihnen einfach nur zuhört. Und dann geht die Geschichte irgendwann im Bett weiter“ – erklärt AKK zur „Angela Merkel für Arme“, die für seine FDP keine „attraktive Option“ sei.
Altkanzler Gerhard Schröder, der das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einst salopp abkürzte mit „Familie und das ganze Gedöns“, rechnet fest mit Merz als künftigem CDU-Vorsitzenden. Und Ex-Bams-Chef Michael Spreng macht Kramp-Karrenbauer in seinem Blog zur Mininachfolgekandidatin, die Merz nicht das Wasser reichen könne. Oh, boys!
Doch AKK, laut aktuellem ZDF-„Politbarometer“ beliebteste Kanditatin, zur Wunschkandidatin der weiblichen Bevölkerung und der liberalen Mitte zu machen, nur weil sie eine Frau ist und als solche ja so gut zuhören kann, ist genauso rückwärtsgewandt und herabsetzend. Es wird ihr im Übrigen auch nicht gerecht. In ihrer Rede zur Bewerbung als Generalsekretärin bezeichnete sie ihre Partei im Februar als konservativ, liberal und christlich-sozial. In dieser Reihenfolge.
Ja, Kramp-Karrenbauer ist konservativ. Dass sie gegen die Ehe für alle ist und diese gar als Wegbereiterin für Polygamie und Inzucht sieht, ist vielen gegenwärtig. In der Erinnerung versunken mag dagegen sein, dass die ehemalige Kultusministerin stets das gegliederte Schulsystem gegen „die linke Einheitsschule“ verteidigte, selbst dann noch, als die CDU diese Gliederung ein Stück weit aufgeben musste.
Weder über- noch unterschätzen
Zum gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung fragte sich AKK auch fünf Jahre nach der Ratifizierung des UN-Menschenrechtsabkommens, ob man sein Kind „halbgaren Bildungsexperimenten aussetze, wenn man sich für eine inklusive Schule entscheide“. Und als Innenpolitikerin setzt sie ganz kernig auf Ankerzentren für Flüchtlinge, auf verbindliche Altersfestellung bei Minderjährigen und auf konsequente Abschiebung.
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Und nur weil sie beim Reden den Kopf neigt und so angenehm unprätentiös auftritt, pflegt sie noch lange keinen weiblichen Führungsstil (wenn es diesen überhaupt gibt). Die FDP kann das bestätigen. 2012 setzte AKK die Liberalen in ihrer Koalition knallhart vor die Tür, und zwar ausgerechnet am Tag des traditionellen Dreikönigstreffens. Das schmerzt die FDP bis heute. Und dass sich AKK für eine Frauenquote in Führungsgremien einsetzt, kann frau auch als Interessenpolitik deuten.
Kramp-Karrenbauer sollte also weder über- noch unterschätzt werden. Sondern als das genommen werden, was sie ist: eine Konservative. Nicht mehr und nicht weniger.
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