Kommentar Rekommunalisierung: Betongold in Bürgerhand
Berlin steigt in den Rückkauf des Wohnungsbestands ein. Dabei gibt es zwar einige Fallstricke. Doch der eingeschlagene Weg ist richtig.
N icht nur Berlin erlebt derzeit eine neue Gründerzeit. Auch andere Ballungsräume in Deutschland wachsen, und die Investoren reiben sich die Hände. Gerade erst hat die börsennotierte Deutsche Wohnen knapp 4.000 Wohnungen in Berlin ins Portfolio genommen.
Mieterschutz ist solchen Aktiengesellschaften eine Petitesse. Unsere Innenstädte drohen so glatt geleckt zu werden wie die Hochglanzbroschüren der Immobilienentwickler.
Ausgerechnet in dieser Hochphase der Spekulation mit Betongold haben Aktivisten und Kommunalpolitiker die Parole ausgegeben, dem Kapitalismus mit kapitalistischen Mitteln den Kampf anzusagen: „Wir kaufen uns die Stadt zurück.“ Hamburg hat damit begonnen, München folgte, nun macht auch Berlin mit.
Das entsprechende Werkzeug findet man im Baugesetz. In sogenannten Milieuschutzgebieten dürfen die Kommunen einem Investor ein Haus vor der Nase wegkaufen, wenn der sich nicht bereit erklärt, auf Verdrängung zu verzichten. Vorkaufsrecht heißt dieses Instrument. Das Ziel: Häuser und Wohnungen dem spekulativen Markt zu entziehen und in kommunale Obhut zu nehmen.
Allerdings gibt es auf dem Weg dorthin ein paar Fallstricke. Einer ist der Kaufpreis. Wenn die Kommunen nicht zum Verkehrswert kaufen dürfen, sondern den Preis zahlen müssen, den Verkäufer fordern, ist am Ende nur Letzteren geholfen – und die Kommune hätte selbst am Spekulationsrad mitgedreht.
Musterbeispiel Wien
Zweitens müssen kommunale Wohnungsbaugesellschaften erst den Beweis antreten, dass sie besser sind als private Vermieter. Rot-Rot-Grün in Berlin will dies mit einer Vereinbarung sicherstellen, an der bis zuletzt herumgefeilt wurde.
Dennoch ist der eingeschlagene Weg richtig. Wie wichtig ein großer Bestand an nichtspekulativem Wohnraum ist, zeigt das Beispiel Wien. Dort hat es eine massenhafte Vertreibung in der Innenstadt bislang nicht gegeben. Ein Drittel aller Wiener Mietwohnungen gehören der Gemeinde, 26 Prozent gemeinwohlorientierten Vermietern.
Zeit also, sich nicht nur die Rekommunalisierung von Wasser und Energie vorzunehmen, sondern auch die des Wohnens. Es wäre ein Zeichen dafür, dass die Politik die Sorgen der „kleinen Leute“ ernst nimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus
Getöteter Schwarzer in den USA
New Yorker Wärter schlagen Gefangenen tot
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“