Kommentar Regierungskrise Ukraine: Würdeloses Rumeiern
Jazenjuk kann erst einmal weiter regieren, dennoch wurde in Kiew eine Schmierenkomödie aufgeführt. Der Unmut in der Bevölkerung wächst.
I mmerhin: Sich prügelnde Abgeordnete und Versuche, den rücktrittsunwilligen Regierungschef Arsenij Jazenjuk aus dem Plenarsaal des Parlaments zu tragen, blieben den Ukrainern am Dienstag erspart. Doch das ändert nichts daran, dass die politischen Entscheidungsträger in Kiew mal wieder eine Schmierenkomödie aufführten, die einem die Schamröte ins Gesicht treibt. Und die Frage aufwirft, ob die Beteiligten noch einen, wenn auch bescheidenen, Rest an Ver- und Anstand haben.
Da forderte Präsident Petro Poroschenko Ministerpräsident Jazenjuk PR-wirksam auf, sich aus seinem Amt zu verabschieden, um so das Vertrauen in die Regierung wieder herzustellen. Bei der Abstimmung über ein Misstrauensvotum sieht die Mehrheit der Parlamentarier dann aber doch keinen Handlungsbedarf und entscheidet sich dafür, die Regierung im Amt zu belassen. Wobei einige Abgeordnete offensichtlich die falsche Taste drückten.
Auch der Rücktritt von Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin ist eine Lachnummer. Angeblich ist der Oberermittler jetzt erst einmal drei Tage im Urlaub - nicht schlecht für jemanden, der in seiner Amtszeit nicht ein einziges Korruptionsverfahren durchgezogen hat.
Jazenjuk kann also erst einmal weiter regieren, allerdings nicht so weiter machen wie bisher. Westliche Kreditgeber und Investoren, auf die die Ukraine dringend angewiesen ist, werden dieses Herumgeeiere nicht goutieren. Vor allem aber wächst der Unmut in der Bevölkerung. Die hat diese taktischen Spielchen satt und fragt sich mittlerweile, wofür sie vor zwei Jahren den Kopf hingehalten und dafür teilweise mit dem Leben bezahlt hat.
Und so könnten bald schon wieder Tausende auf dem Maidan stehen und nicht eher weichen, bis sie sich auch dieser verhassten Regierung entledigt haben. Es wäre schließlich nicht das erste Mal. Und so sollten Jazenjuk und seine Mannschaft gewarnt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass