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Kommentar Regierung zu AfghanistanAnalyse aus Eigennutz

Thomas Ruttig
Kommentar von Thomas Ruttig

Der neue Afghanistanbericht stilisiert Ausländer zu den größten Opfern des Krieges. Zumindest erodiert die Mär von sicheren Gegenden im Land.

Sind Diplomaten wirklich das größte Opfer der Taliban? Deutsche Botschaft in Kabul Foto: dpa

S elbstreferenziell und inhaltlich teilweise äußerst bedenklich ist der neue Afghanistanbericht des Auswärtigen Amts. Selbstreferenziell, weil man sich selbst – Militär und Diplomaten und dann erst alle Afghanen – zu Hauptzielen im Krieg stilisiert. Klar, die Taliban wollen die meisten Westler raus aus dem Land haben und greifen sie an und entführen. Sie wissen, wie Öffentlichkeit im Westen funktioniert.

Nur, seit dem Ende der Isaf-Mission kommen kaum noch westliche Sol­daten um. Deutschland hatte bloß Pech, dass seine zentral gelegenen, großen Vertretungen in Kabul und Masar-i-Scharif Anschlagsziele abgaben.

Die Angriffe und Anschläge der Aufständischen treffen vor allem Afghanen, denn sie sollen auch deren Moral untergraben. Dabei hilft den Taliban die zerstrittene, immer noch korrupte und – in all ihren Fraktionen – zunehmend ethnozentrisch agierende Regierung. (Da hat der Bericht mal recht.) Die Taliban wissen: Militärisch können sie kaum gewinnen, aber es ist möglich, einen Zusammenbruch zu provozieren.

Der Bericht enthält zwei tendenziell positive Aspekte: Die Mär angeblicher Binnenfluchtalternativen (statt nach Deutschland könne man nach Kabul oder Masar-i-Scharif fliehen) erodiert langsam; und bis Oktober wird erst einmal nicht abgeschoben – von Straftätern und Ähnlichen abgesehen. Das ist eine Verschnaufpause für viele, aber auch nicht mehr.

Größtenteils aber kollidiert der Bericht nicht nur mit der Realität, sondern auch mit Einschätzungen der UNO, die die Autoren eigentlich als Quelle verwendet haben wollen. Zur Lage in den Provinzen offenbart er grobe Kenntnislücken. Zudem machen sich die Autoren unkritisch die Selbstdarstellung der Taliban zu eigen. Indirekt insinuieren sie, man könne sich als Afghane mit ihrer Herrschaft arrangieren, dann müsse man auch nicht aus dem Land fliehen. Auch das ist selbstreferenziell.

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Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
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