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Kommentar Reform der BlutspenderegelnDer Homo-Vorbehalt bleibt

Malte Göbel
Kommentar von Malte Göbel

Die Ärztekammer lockert ihre Regeln zur Blutspende – diskriminierend bleiben sie dennoch. Schwuler Sex gilt weiterhin als bäh und igitt.

Muss man den Homo-Hetero-Unterschied überhaupt machen? Foto: dpa

E igentlich ist es eine gute Nachricht. Die Bundesärztekammer ändert ihre Regeln zur Blutspende. Bisher: voll homophob. Schwule und bisexuelle Männer durften kein Blut spenden, galten qua sexueller Orientierung als Risikogruppe. Einmal Sex mit einem anderen Mann reichte, und man war für den Rest des Lebens raus. LGBT-Lobbygruppen und Aktivist_innen haben seit Jahren gegen diese Regelung gekämpft. Dass sie nun endlich gekippt wird, scheint wenige Wochen nach der „Ehe für alle“ wie ein weiterer Meilenstein im Abbau der Diskriminierung von Homosexualität.

Oder etwa nicht? Tja. Komplett abgeschafft wurde die Regel nämlich nicht. Nur gelockert, gekürzt von lebenslang auf ein Jahr: Blut spenden darf ein Mann nur, wenn er in den letzten zwölf Monaten keinen sexuellen Kontakt mit einem anderen Mann hatte. Der Homo-Vorbehalt gilt also weiterhin.

Dafür gibt es medizinische Gründe: Rein statistisch gesehen sind Männer, die mit Männern Sex haben, häufiger mit HIV oder Hepatitis C infiziert als andere Menschen. Doch das lässt außer Acht, dass die Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit nicht von der eigenen sexuellen Orientierung oder vom Geschlecht des Sexualpartners abhängt – sondern davon, ob der Sex safe oder unsafe ist. Tatsächlich wird mit der Reform der Blutspenderegeln nur eine große Diskriminierung durch eine etwas kleinere ersetzt: Schwuler Sex gilt weiterhin als bäh und igitt. Hetero-Sex darf man übrigens vor dem Blutspenden haben, nur nicht „mit häufig wechselnden Partnern“.

Muss man den Homo-Hetero-Unterschied überhaupt machen? Nein. Bulgarien, Italien, Lettland, Polen und Portugal zeigen, wie es geht. Sie fragen nicht nach dem Geschlecht der Sexualpartner, sondern nach individuellem Risikoverhalten. In Deutschland bleibt schwulen Männern beim Blutspenden erst mal nur das, was viele schon seit Jahren praktizieren: verantwortungsbewusst lügen.

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Malte Göbel
Autor_in
Berliner mit Kartoffelhintergrund. 2011-2020 bei der taz, u.a. als Ressortleiter Online, jetzt Autor, Themen: Privilegien, Machtstrukturen, USA, Italien, Fußball, Queer, Comics u.a.
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5 Kommentare

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  • Man muß auch fragen wo überhaupt das Problem liegt. Es gibt eine Vielzahl von Fragen (etwa ob man in den letzten 12 Monaten in Malariarisikogebieten war) die zu demselben Ergebnis führen: Blut wird abgenommen, Spender kriegt sein Wurstbrot, Blut wird weggeworfen.

     

    Es erfolgt keine Diskriminierung und so gut wie Niemand erfährt von der Nichtverwendungsfähigkeit des Blutes dieses Spenders.

     

    Ganz anders - und das ist ziemlich häufig - sieht das bei Frauen aus. Wenn bei denen ein zu niedriger (oder zu hoher) Eisengehalt des Blutes vorliegt, dürfen sie gar nicht erst spenden. Hier könnte man von geschlechtsspezifischer Diskriminierung sprechen!

     

    Das Blutspendewesen ist ein hochautomatisierter Massenvorgang, bei dem Risiken für die Allgemeinheit ausgeschlossen werden MÜSSEN. Selbst wenn hier eine Diskriminierung vorläge (was nicht der Fall ist) müßte diese im Sinne der Sache hingenommen werden.

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Muss man den Homo-Hetero-Unterschied überhaupt machen? Nein. Bulgarien, Italien, Lettland, Polen und Portugal zeigen, wie es geht. "

     

    Aber Polen ist homophob...

  • "Muss man den Homo-Hetero-Unterschied überhaupt machen?"

     

    Manchmal ist es die Sache des statistisch messbaren Risikos.

    So sind in UK etwa 4,9% der Männer zw. 14-44 die homosexuelle Kontakte haben/hatten mit dem HIV-Virus infiziert. Das (je nach Altersgruppendefinition) ist ein Wert, der um das 30fache den Gesamtbevölkerungsdurchschnitt übersteigt. Und das ist signifikant. https://www.avert.org/professionals/hiv-around-world/western-central-europe-north-america/uk

    • @agerwiese:

      Statistiken sind nicht ausgewogen. Wo ein Vorgehen nach Statistiken gerechtfertigt ist, wird daher diskriminiert. Wir sollten vermeiden, den Bereich der statistisch begründeten Vorgehensweise auf andere Bereiche auszuweiten - wie z.B. Sozialprognosen oder Rückfallwahrscheinlichkeiten. Denn dort ist das nicht nötig und daher die Diskriminierung vermeidbar.

      Hier jedoch ist die Statistik zur Vermeidung von Risiken für die Blutempfänger das einzig richtige Maß. Man könnte jetzt die Realität wegblenden, in dem die Blutspenden heimlich vernichtet werden. Oder man könnte im Sinne der politischen Korrektheit eine höhere Quote an über Blutkonserven infizierten Menschen in Kauf nehmen. Oder will aber die taz hier die homophobe Statistik zur politischen Korrektheit verpflichten? Sollen wir ein paar Heteros zusätzlich infizieren, damit hier die Statistik nicht mehr diskriminiert?

  • Es sind solche Artikel die LGBTQ+ Rechte so schwer vermittelbar machen. Jeder der über einen gesunden Menschenverstand verfügt versteht warum es diese Regelung nichts mit Homophobie zu tun hat, sondern mit Pragmatismus.

    Die Bundesärztekammer diskriminiert mit ihren Regeln diverse Personengruppen, diese werden aber eben nicht nach irgendwelchen künstlich geschaffenen Identitäts-Gruppen erstellt, sondern nach Risiko.