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Kommentar Rechtsruck in FrankreichAufwachen, Monsieur Le President!

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Hollande kann in der Debatte um die Homoehe zeigen, dass er für ein fortschrittliches Frankreich steht. Tut er es nicht, kann er einpacken.

J etzt kann der französische Staatspräsident verhindern, dass Frankreich ernsthaft nach rechts abdriftet. Hollande hat jetzt die Chance, die Sozialisten doch noch als links zu profilieren. Paradoxerweise liefern ihm die reaktionärsten Kreise diese Steilvorlage.

Sie machen aus der Homoehe eine Grundsatzfrage: Der Fortbestand der Familie, ja, der menschlichen Zivilisation stehe auf dem Spiel. Die pseudochristlichen Warnungen und Mahnungen verbergen dabei nur notdürftig die eigentlichen Motive: homophobe Vorurteile und die Ablehnung jeder sexuellen Freiheit.

Auch für Hollande und Frankreichs Linke muss es jetzt ums Prinzip gehen: den Kampf gegen die jahrhundertealte Diskriminierung und Verfolgung von gleichgeschlechtlichen Paaren.

Bild: privat
Rudolf Balmer

ist Frankreich-Korrespondent der taz.

Die Einmischung der Bischöfe und ihrer noch weiter rechtsstehenden religiösen Alliierten muss zurückgewiesen werden. Geben sie bei dieser Reform nach, verrät die regierende Linke die Grundwerte der Revolution und der Aufklärung, auf die sich die Republik beruft.

Hollande kann bei der Debatte über die Homoehe zeigen, dass er – im Unterschied zu Sarkozy und der zwischen extrem rechten und liberalen Positionen schwankenden UMP – der französischen Gesellschaft ein fortschrittliches Antlitz geben will. Genau dafür ist er gewählt worden.

Diese Reform eignet sich wegen der klaren Fronten besser als seine anderen 60 Wahlversprechen, um Profil zu gewinnen - und vor allem: Sie kostet (noch) nichts. Hollande hat also fast freie Hand – was im Umkehrschluss bedeutet: Er kann ein eventuelles Einknicken nicht mit finanziellen Sachzwängen rechtfertigen. Geht Hollande jetzt nicht gegen den Rechtsdruck vor, dann können er und seine Partei einpacken und nach Hause gehen.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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12 Kommentare

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  • GU
    gottlos und stolz drauf

    Frankreich muß jetzt Farbe bekennen.

     

    Für Laizismus und Grundrechte.

    Gegen religiöse Hetzer.

  • B
    brot

    Tja, Staatsbürger, was soll - oder besser: was darf - ich antworten?

     

    Wäre ein Heim besser?

     

    Sehen Sie, mit Ihrer Gleichsetzung einer ethisch motivierten Ablehnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen als normatives Familienmodell mit Strafverfolgung im Dritten Reich werden Sie natürlich nur die Antworten bekommen, die Sie selbst schon vorgeben.

     

    Gesellschaftlicher Konsens ist die Toleranz gegenüber den Lebensformen, die zwei Menschen miteinander aushandeln. Dritte aber - erst recht Kinder - sollten besser herausgehalten werden. Die Besonderheit dieser Lebensformen bleibt von der Toleranz ihnen gegenüber unberührt.

     

    Es ist irrelevant, wie oft es solche Adoptionsfälle tatsächlich gibt.

     

    Mit Ihrem Argumentationsmuster müssten Sie auch gegen derzeit strafrechtlich nocht verfolgten Inzest, bzw. Polygamie usw. auftreten. Was ist gegen Gruppensex nach Feierabend einzuwenden? Warum genau sollte das Kind gefährdet sein, das in diesem Umfeld aufwächst? Überall gibt es Liebe. Wie stehen Sie dazu? Wollen Sie alle kulturellen Bindungen auflösen - für ein paar Adoptionen?

  • S
    Staatsbürger

    @brot

     

    "Können wir Buchenwald da mal raus lassen?"

     

    Weshalb? Buchenwald ist ein Beleg dafür, dass Homophobie keine Erfindung der 90er ist, sondern eine gefährliche, ja tödliche Ideologie.

     

    In der Adoptionsfrage geht es überdies nicht um das Recht auf Adoption, sondern nur um die Möglichkeit zur Adoption - nach vorheriger sorgfältiger Prüfung der Paare. Überall, wo es die gleichgeschlechtliche Ehe gibt, sind die Adoptionen sehr selten. Oft werden nur Kinder adoptiert, die sonst niemand will. Sind die im Heim besser aufgehoben als bei liebenden Eltern?

  • H
    haha

    Man kann Schwulsein nicht einfach scheiße finden. Oder eklig. Alles andere schon. Fette Frauen, kleine Männer, Glatzköpfe usw. Nur nicht Schwule. Da hat man dann nämlich "homophobe Vorurteile" und lehnt jede Sexuelle Freiheit ab. Homophobie ist da eine tolle Erfindung der 90er. Über die bestimmen nämlich Schwule und ihre Unterstützer. Z.B. die taz. Blöd nur wenn es immer weniger Leute ernst nehmen.

  • B
    brot

    Sehen Sie, @Staatsbürger, dann müssen Sie aber konsequent bleiben und a l l e n Variationen des Zusammenlebens gleiche und vollumfängliche Rechte einräumen.

     

    Soweit ich erkennen kann, geht es in Frankreich einzig um die rote Linie des Adoptionsrechtes. Können wir Buchenwald da mal raus lassen?

  • S
    Staatsbürger

    Wer die Gleichheit aller, also auch aller Paare, die füreinander einstehen, so vehement bekämpft, ist ein potentieller Verfolger.

     

    Das gilt umso mehr, als die gleichgeschlechtliche Ehe das Privatleben der Demonstranten ja in keiner Weise berührt. Das müssten die reaktionären und menschenfeindlichen Gegner der Gleichheit auch in Frankreich wissen, da ja zwei teilweise frankophone Länder (Kanada, Belgien) seit Jahren problemlos mit der 'Homo-Ehe' leben. Ein statistisches Randphänomen, das niemandem schadet.

     

    Nein, hier wird - leider mit Unterstützung profilierungssüchtiger Religionsführer, die sich in einem laizistischen Staat eigentlich politisch zurückhalten sollten - bewusst ausgegrenzt. Wohin das führen kann, haben wir in der deutschen Geschichte gesehen: nach Buchenwald z. B.

  • W
    Waldgänger

    Ich hoffe, Frankreich entwickelt in diesem Fall eine enorme Strahlkraft auf Europa. In den östlichen Ländern scheint der gesunde Menschenverstand, was das Thema angeht, ja auch noch weitgehend vorhanden. Lassen Sie uns hoffen, daß auch Deutschland sich bald nicht mehr mit solchen Albernheiten herumschlägt und die normale Familie (Mann+Frau+mind. 2 Kinder) der gesellschaftliche Maßstab bleibt, bzw. wieder wird.

     

    Es ist beruhigend, daß wenigstens in manchen Ländern der pseudomoralische Gesinnungsterror irgendwelcher gesellschaftlich nicht relevanter Minderheiten, zunehmend auf taube Ohren stößt.

  • H
    harry

    wirklich recht seicht und platt dieser kommentar. was für eine bescheuerte gleichung das ist: für die homoehe = links, gegen sie = rechts. wenn das mit den zuschreibungen so einfach wäre. es gibt wenige in der derzeitigen bundesregierung die schärfer und deutlicher gegen die linken und ihre positionen ankämpfen, als der aussenminister westerwelle. er lebt in einer gleichgeschlechtlichen beziehung. ist er deshalb nun selber ein linker?

  • T
    tommy

    Die Demonstrationen in Frankreich finde ich ermutigend - es gibt eben doch noch mehr Anständige in Europa als der grün gefärbte Konsens der Mainstream-Medien glauben machen will.

  • V
    verwirrt

    Mir nicht ganz klar: Was am Festhalten des Familienverständnisses "Vater, Mutter, Kind(er)" ist rechts/reaktionär? Und was soll daran "pseudochristlich" sein?

     

    Familie wird übrigens auch von "rechts" aufgelöst: Neoliberalismus braucht die völlige Freiheit von allen Werten, Bindungen und Traditionen ebenso.

  • P
    Peter

    In diesem Beitrag erscheint mir zweierlei nicht schlüssig:

    1. Wieso jemand, der die Homoehe nicht befürwortet, und es ist ein Unterschied, ob man etwas nicht befürwortet oder es ablehnt, nicht gleichzeitig der Homosexualität als völlig gleichberechtigt zu anderen sexuellen Ausprägungen ansehen kann,

    2. Wieso eine Einführung der Homoehe rechte Tendenzen schwächen soll.

    Übrigens stelle ich die Frage, ob eine eingetragene Lebensgemeinschaft zu dritt, dafür gäbe es genau vier Varianten, ebenfalls zu befürworten wäre.

    Wer jetzt irritiert ist, sollte sich fragen: Warum eigentlich?

  • DA
    Dick aufgetragen

    Ja, der Rudolf Balmer - immer der Hang zur Melodramatik. Ich bin auch für die Gleichstellung mit der Ehe Mann/Frau (bin selbst schwul). Aber hier eine "Verfolgung von gleichgeschlechtlichen Paaren" herauslesen zu wollen, berührt mich - wie so oft bei genanntem Kommentator - eher peinlich.