piwik no script img

Kommentar RaucherurteilGegen den Gesundheitswahn

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Der Bundesgerichtshof hat im Fall Adolfs vernünftig entschieden. Und der Mieter darf sich nun füglich auf sein Gewohnheitsrecht berufen.

Qualmt weiter: Mieter Friedhelm Adolfs. Bild: dpa

D er Bundesgerichtshof hat nur zu entscheiden, ob ein anderes Gericht nach Abwägung aller Fakten geurteilt hat. Dass der Bundesgerichtshof nun entschied, einen Spruch des Düsseldorfer Landgerichts zu kassieren, musste erwartet werden.

Die Landrichter hatten darüber zu entscheiden, ob einem Mieter die Wohnung gekündigt werden darf, weil er durch sein Rauchen andere Mieter belästigt. Karlsruhe nun wies den Rechtsstreit an die Kammer zurück, weil sie es bei dem Streit um Nikotinschwaden in Hausflur versäumt hat, einen Ortstermin anzuberaumen. Man könnte sagen: Der Bundesgerichtshof monierte, dass die Landrichter nur aus den Akten heraus der Räumungsklage zustimmten.

Insofern ließe sich sagen: Sie hatten sich von der um sich greifenden Gesundheitsideologie mitreißen lassen – ohne das Deliktuelle dort in Augenschein zu nehmen, wo die strittige Handlung (Kettenrauchen, 15 Stück am Tag) sich abspielte. Soweit, so gut oder schlecht, je nach Auffassung zum Rauchen.

Nicht die Gesundheit, nur die Belästigung ist zu beurteilen

Erstaunlich ist allerdings, dass die Vertreter des Bundesgerichtshof tatsächlich das Recht auslegten und sich nicht grundsätzlich zu einem Spruch hinreißen ließen, demzufolge das Rauchen in Mietwohnungen grundsätzlich untersagt sein kann. Oder womöglich noch klärt, dass der Genuss von Zigaretten unweigerlich zu Mieterhöhungen führen könnte.

Der Mieter jedenfalls, der aus seiner Wohnung nach Meinung seiner Nachbarn hinaus soll, kann sich füglich auf Gewohnheitsrecht berufen. Er wohnt schließlich schon seit vielen Jahren, länger als die meisten seiner Nachbarn, in dieser Wohnung.

Wichtig ist unter dem Strich hauptsächlich, dass der Bundesgerichtshof die Moral der allumfassenden Gesundheitlichkeit nicht zur Verhandlung stellte. Es ging lediglich um die Treue zur Zahlung einer angemieteten Wohnung. Zu prüfen bleibt für eine andere Düsseldorfer Landgerichtskammer, ob der Qualm dieses Mannes wirklich belästigt oder nicht.

Oder ob das nachbarliche Beschweren zum Üblichen zu zählen ist: Üblicher Hader und Zank von nur durch Wände getrennte Menschen – auszuhaltender Alltagsärger sozusagen, der unerträglich wurde in der Hoffnung, den Trumpf der Gesundheitsmoral ziehen zu können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Wer wissen möchte, was wirklich in dieser Düsseldorfer Provinzposse abgegangen ist, verweise ich sehr gerne auf diesen Link. Aber Warnung, selbst Antiraucher könnten ihre Meinung ändern:

    https://rachowundco.wordpress.com/2015/02/19/der-raucherprozess-die-farce-um-friedhelm-adolfs/

  • Es ist richtig, wenn gegen den Gesundheitswahn argumentiert wird. Allerdings hat es für Jan Feddersen und mich, der ich ähnlich alt bin, keine große Bedeutung mehr. Aber für die jungen Menschen bedeutet es viel: Was wäre denn die Folge, wenn noch weniger Menschen in Deutschland rauchen würden? Weniger Tabaksteuereinnahmen will ich nicht hören ... Die Lebenserwartung würde weiter ansteigen. Nächste Frage: Was würde passieren, wenn die Lebenserwartung weiter ansteigen würde? Die Lebensarbeitszeit würde noch weiter verlängert werden.

     

    Also liebe junge Nichtraucher denkt dran, die Raucher in der Umgebung geben alles, damit ihr nicht so lange arbeiten müsst.

  • 15 Zigaretten am Tag=Kettenrauchen???

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Herr Adolfs hat doch auch an anderer Stelle gezeigt, inwiefern er bereit ist, sich an bestehende Gesetze zu halten, als er sich beim illegalen Rauchen in Gaststätten hat fotographieren lassen:

     

    http://www.derwesten.de/staedte/essen/wie-helmut-partys-den-nichtraucherschutz-unterwandern-wollen-id9370343.html

     

    http://www.stern.de/wirtschaft/news/umgehung-des-rauchverbots-in-nrw-die-glimmstaengel-guerilla-aus-der-eck-kneipe-2112278.html

     

    Muss dieser Mensch denn erst Richtern Qualm direkt ins Gesicht pusten, damit es zu einem gerechten Urteil kommt?

    • @64662 (Profil gelöscht):

      Und wo ist der Zusammenhang zum Artikel?

  • Intoleranz ist die erste Vorstufe zum Krieg. Habt Ihr das nicht aus der Vergangenheit gelernt?

     

    Wer nichts vom "america way of life" hält ist Terrorist.

    Wer nichts von Fastfoot hält ...

    Wer nichts von endloser Kapitalkumulikation hält ist Verfassungsfeind,

    ...

    Um Fortsetzung wird gebeten

  • Ich hatte einst eine Mitmieterin im Haus die 2x pro Monat Pansen kochte. Dann doch lieber nen (Ketten-) Raucher zum Nachbarn. Wobei ich unter Kettenrauchen eher 60 Fluppen pro Tag verstehe. Zum anderen ist hier doch offensichtlich, dass ein 40 Jahre alter Mietvertrag auf diese Art und weise "vergoldet" sprich erneuert werden soll. Denn alle anderen Mieter müssen ja schon bei der Erstbesichtigung gemerkt haben, dass es im Haus nach Kippen riecht, wenn es denn so schlimm ist, wie stets behauptet wird.

    Smoke on!

    https://www.youtube.com/watch?v=o5E0tI5XsF4

  • Die taz wie immer: das letzte Kampfblatt der Raucher und der Raucherlobby, unerschütterlich das Raucherfähnchen hochhaltend. Wenn es nach Euch ginge, müssten wir Nichtraucher uns wie in den 70er, 80er, 90er Jahren in Gaststätten, auf Veranstaltungen und überall sonst im öffentlichen Raum von den rücksichtslosen Rauchern vollqualmen lassen. Aber zum Glück ist dieser Kampf der Taz vergeblich - das rücksichtslose asoziale Verhaltens vieler Raucher von einer sehr großen Mehrheit nicht nicht mehr tolleriert.

  • Früher hielten die Gerichte Rauchen für "sozial adäquat", Schadenersatzklagen wegen Körperverletzung wurden abgewiesen. Das hat sich geändert. Wenn erst mal die erste Klage auf Schmerzensgeld durch ist, hat sich das Thema erledigt.

  • Ja - ich versteh auch nix -

     

    " . . .Karlsruhe nun wies den Rechtsstreit an die Kammer zurück, weil sie es bei dem Streit um Nikotinschwaden in Hausflur versäumt hat, einen Ortstermin anzuberaumen. . ."

    soweit - so falsch -

    denn -

    " .. .Zu prüfen bleibt für eine andere Düsseldorfer Landgerichtskammer, ob der Qualm dieses Mannes wirklich belästigt oder nicht.. . "

    richtig -

    Und so stoppelt sich der Rest quer übern Acker - öh - zusammen;

    da hat @Atayala schon recht.

    (dem Vernehmen nach, fällt ihm das alles unter unterschiedliche Meinung -

    jan dann - Gesundheit!

  • Gewohnheitsrecht? Na dann berufe ich mich mal auch auf mein Gewohnheitsrecht aus den 70er und 80er Jahren, mein Auto mit allerlei Chemikalien im Garten zu waschen.

     

    Nicht die Gesundheit ist zu bewerten? Na danke! Wir reden hier über einen renitenten "Stinkstiefel" (Zitat zeit.de), der sich in der Vergangenheit jeder Bitte, zu lüften und seine reichlichen Aschenbecher zu leeren, widersetzt hat.Wir reden hier nicht über eine Geruchsbelästigung, sondern über einen mit giftigen Dämpfen (und nichts anderes ist Tabakqualm) kontaminierten Hausflur, durch den auch Kinder täglich laufen müssen.

     

    Lassen sie mich raten, Herr Feddersen: Sie sind Raucher, nicht wahr?

    • @John Doe:

      Ich frage mich was das ganze Theater soll?

       

      Der Nachweis wer hier Zustandsstörer ist, ist sehr einfach anhand eines Raumluftmonitorings auf diverse Leitsubstanzen und Partikel zu führen.

       

      Der Nachweis ist, kalibrierte Messtechnik vorausgesetzt, sehr leicht zu erbringen. Einfach Cyanwasserstoff, CO und Partikelkonzentrationenbestimmen; in den Partikel noch den Th-Anteil und dann rausschmeißen.

       

      Wo ist das Problem?

    • @John Doe:

      Na ja - die üblichen Verdächtigungen halt ! Wer nicht in das Lied der Gesundheitsfanatiker einstimmt, ist entweder selbst Raucher oder von der Tabaklobby gekauft....

      Giftige Dämpfe im kontaminierten Hausflur? Eben das hat man vor Gericht nicht nachweisen können...

      • @Nansy:

        Das ist doch Quatsch, genauso gut kann man sagen, das jede Diskussion dann am Ende ist, wenn Meinungen mit dem KO-Argument "Die üblichen Verdächtigungen von...." platt gemacht werden.

         

        Wer die Presse zu dem Fall etwas verfolgt hat, für den ist es unstreitbar, dass es sich a) um einen renitenten Mann handelt und b) im Flur stinkt wie in einer verqualmten Spelunke. Dass der Bundesgerichtshof den Nachweis bemängelt, mag zwar formal richtig sein, ändert aber nichts an den belegten Fakten. Das Landesgericht hat ja nicht durch den Blick in eine Glaskugel entschieden, sondern anhand einer konkreten Aktenlage.

         

        Es geht auch überhaupt nicht darum, rauchen generell zu verbieten, sondern darum, dass hier ein über Jahre hinweg renitenter und rücksichtsloser Mieter in seine Schranken verwiesen wird.

        • @John Doe:

          Sie können nicht richtig lesen:

          "Es wurde kein Ortstermin anberaumt"!

          Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Bürohaus in dem der rauchende Mieter der letzte echte Bewohner ist und welchen die Eigentümerin offenbar gern loswerden möchte. Allzu viele Kinder werden da nicht sein. Und es gab in dem Fall lediglich einen "Zeugen" der Gegenseite. Das wüssten Sie, hätten Sie mehr als Kurzmeldungen zu dem Fall gelesen.

          Was in der "Zeit" steht ist lediglich publizistische Interpretation und rechtlich unerheblich. Die Richter des BHG sind hier qualifizierter, auch wenn Sie scheinbar gerne Menschen, die Ihnen nicht passen, persönlich "in die Schranken" verweisen wollen.

          Und lassen Sie mich raten: Sie haben von Rechtsprechung nicht die geringste Ahnung, nicht wahr?

          • @jan messerschmidr:

            Auch für Arbeitsräume gelten MAK-Werte......

          • @jan messerschmidr:

            Na, da kann ich ja froh sein, dass Sie mich "auf eine Zigarette" aufgeklärt haben ;)