piwik no script img

Kommentar Raketentests in NordkoreaKim versucht es wieder

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Sanktionen oder ein militärischer Erstschlag gegen Nordkorea hilft kaum. Die wachsende Mittelschicht im Land könnte die Rettung sein.

Die nächste Bombe ist schon unterwegs (Archivbild 2013) Foto: dpa

E r kann es einfach nicht lassen: Kim Jong Un hat am Montag bereits zum neunten Mal in diesem Jahr eine Rakete getestet. Wie immer versuchen viele Nordkorea-Beobachter nun eine Symbolik hinter dem gewählten Datum zu erkennen: Der 29. Mai sei schließlich „Memorial Day“, an dem in den USA der im Krieg fürs Vaterland Gefallenen gedacht wird. Zufall?

Längst hat Kim Jong Un unter Beweis gestellt, dass er bei der Entwicklung seines Raketen- und Atomprogramms wenig Rücksicht auf die Tagespolitik nimmt. Ob Trump den Diktator noch am Vortag verdammt hat, die G7-Staatschefs eine Warnung aussprechen oder der südkoreanische Präsident Moon Jae In Annäherung signa­lisiert: Kim zündelt weiter.

Nun könnte man daraus den Schluss ziehen, der Westen solle resignieren und die nuklearen Ambitionen Nordkoreas einfach akzeptieren. In der Tat sind Wirtschaftssanktionen allein beim Umgang mit Nordkorea unweigerlich zum Scheitern verurteilt. Nähmen wir einmal an, China würde von heute auf morgen seine Öllieferungen nach Nordkorea einstellen. Dass Millionen von Nordkoreanern infolgedessen ihr Leben verlieren würden, wäre wohl unvermeidlich. Ob dies das Regime zum Einlenken bringen würde, ist zweifelhaft. Es hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es für den Selbsterhalt immenses Leid seiner Bevölkerung in Kauf nimmt.

Auch ein militärischer Erstschlag kann keine ernsthafte Option sein. Nur eine Autostunde südlich der innerkoreanischen Grenze lebt schließlich fast die Hälfte aller 50 Millionen Südkoreaner im Großraum Seoul.

Der Westen könnte die ­aufkeimende Marktwirtschaft Nordkoreas aber auch als Chance begreifen. In ­vielen Städten des Landes gibt es bereits eine wachsende Mittelschicht, die immer individualistischer und freiheitlicher denkt. Mittelfristig birgt das eine Chance für gesellschaftlichen Wandel. China und Vietnam haben es vorgemacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Der "Böse" und die "Guten".

     

    Nicht nur "der böse Kim" versucht es immer wieder:

     

    Auch das Nuklearforum der Schweiz kümmert sich um die harmonische Atomenergie, trotz der unharmonischen "Volksabstimmung":

     

    »Veranstaltung

     

    Datum: 2. August 2017 bis 13. August 2017

     

    Wir bieten in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gewerbeverband SGV im August eine Studienreise für unsere Mitglieder nach China an. Nationalrat Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Nuklearforums, wird die Reise begleiten.

     

    Das nukleare Besuchsprogramm umfasst einen Tag am Nuklearinstitut an der Tsinghua-Universität in Peking sowie den Besuch der beiden AP1000 von Westinghouse in Sanmen, die noch dieses Jahr als erste Anlagen dieses Typs den Betrieb aufnehmen sollen.

     

    Reiseprogramm

    Anmeldeformular

     

    Es stehen Plätze exklusiv für die Mitglieder des Nuklearforums zur Verfügung. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt.

     

    Anmeldeschluss ist der Freitag, 2. Juni 2017.«

  • "Der Westen könnte die aufkeimende Marktwirtschaft Nordkoreas aber auch als Chance begreifen."

     

    "Aufkeimende Marktwirtschaft" - das wäre mir neu! Spätestens 2005 war Schluss mit dem Versuch eines klitzekleinen bisschens Marktwirtschaft. Auch die Sonderwirtschaftszonen und Joint-Ventures wurden inzwischen zu einem sehr großen Teil wieder abgebaut.

     

    "China und Vietnam haben es vorgemacht."

     

    Richtig, aber in China vorher die Viererbande ausgeschaltet werden. Erst danach war ein vorsichtiger Wandel weg von der Planwirtschaft möglich.

  • "Mittelfristig birgt das eine Chance für gesellschaftlichen Wandel. China und Vietnam haben es vorgemacht."

     

    Das Problem ist, dass dazu erst die Herrschaft der Kims beseitigt werden muss. Der Wandel in China und Vietnam wurde von "moderaten" Politikern aus Einsicht in die Notwendigkeit angeschoben. Bei Kim kann ich nicht die kleinste Einsicht in irgendwas erkennen. Nur einen (irren?) Machtrausch.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Sind Sie nicht auch der Meinung, dass dieser "irre Machtrausch" auch bei den westlichen Nuklearmächten existiert? Insbesondere in der Politik und Wirtschaft der USA. Übrigens, auch die Atomprogramme der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Großbritanniens, werden weitergeführt [- auch bei der RF und China, Pakistan, Indien etc.]. Oder meinen Sie etwa, diese Militär- und Nuklearmächte würden wegen ihrer (moralisch) verlogenen und überzogenen Kritik am Regime Nordkoreas auf ihre hierfür benötigten Atomkraftwerke und Nuklearforschung verzichten?

      • @Reinhold Schramm:

        Ich möchte die anderen Atommächte keineswegs in Schutz nehmen. Aber angesichts der Größe und Bewaffnung der USA davon zu schwafeln, dass Nordkorea die USA nuklear ausradieren will, ist gefährlicher Irrsinn. Dazu noch die ständigen Raketentests.

         

        Nukleare Abschreckung beruht auch darauf, dass man den Gegner für vernünftig genug hält, zu erkennen, dass ein Angriff für ihn tödlich endet. Wer ständig zeigt, dass ihm diese Einsicht fehlt, läuft Gefahr, dass nächste Aktion als echter Angriff interpretiert wird. Die Reaktion der (vermeidlich) Angegriffenen, können Sie sich ausmalen.

         

        Etwas Vernunft ist dringend nötig. Der neue südkoreanische Präsident hat Gespräche angeboten, um die Lage wenigstens etwas zu entspannen. Ständiges rumballern und Vernichtungsdrohungen, sind wohl kaum die richtige Reaktion.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Ständiges rumballern und Vernichtungsdrohungen, sind wohl kaum die richtige Reaktion."

           

          In unserem Zusammenhang möchte ich hier auf die Reaktion der Trump-Administration gegen Syrien verweisen, mit der sog. "Mutter aller Bomben". Die Vernichtung von Menschenleben gehört zur täglichen Praxis -auch ohne verbale Drohungen- der in Krisen- und Kriegsregionen eingesetzten NATO-Militärverbände. Auch die "Bundeswehr" ist daran mit den Ergebnissen ihrer "Luftaufklärung" für andere staatliche [und nichtstaatliche] Kampftruppen aktiv beteiligt!