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Kommentar RajoyBloß keinen spanischen Monti

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Der spanische Premier Rajoy, der heute in Berlin erwartet wird, regiert nur noch auf Abruf. Vorgezogene Neuwahlen wären ein angemessener Schritt.

Ministerpräsident Rajoy ist in Madrid nicht mehr sonderlich wohlgelitten. Bild: ap

S paniens Regierungschef Rajoy ist seit Samstag ein wandelnder Toter. Der Konservative wird den „Fall der Umschläge“, wie die Spanier den Skandal um die Schwarzgeldbezüge hoher Funktionäre der Volkspartei (PP) und von Ministern nennen, nicht aussitzen können.

Die Ausrede, die veröffentlichte parallele Buchführung sei falsch, zieht nicht. Denn mehrere PP-Mitglieder haben bereits zugegeben, dass die auf sie vermerkte Summe korrekt sei, darunter der Vorsitzende des spanischen Senats.

Zeit also, um sich über den Tag nach Rajoy Gedanken zu machen. Es wäre ein letzter anständiger Zug von Rajoy, vorgezogene Neuwahlen anzuberaumen. Sicher, die Umfragen zeigen, dass sowohl die PP Rajoys als auch die sozialistische Opposition PSOE in der Wählergunst ständig weiter absacken. Wo das endet, ist nicht absehbar.

taz
Reiner Wandler

ist Spanien-Korrespondent der taz.

Im Falle der PP haben die Korruption und die Sparpolitik sie für viele unwählbar gemacht, im Falle der PSOE die Änderung der Verfassung im Sommer 2011. Auf Druck von Brüssel und Berlin wurde eine Schuldenbremse aufgenommen. Bankenschulden zu tilgen hat seither Vorrang.

Die aktuelle Krise könnte das Ende des übermächtigen Zweiparteiensystems einläuten. Die Vereinigte Linke und die UPyD, eine Formation, die sich aus Deserteuren der beiden großen Parteien speist, legen bei den Umfragen zu. Beide stehen für ein neues, gerechteres Wahlsystem.

Die Alternative wäre ein erzwungener Rücktritt Rajoys durch die EU, wie in Italien. Dies würde einen Technokraten ohne demokratische Legitimation an die Macht bringen. Die Spanier haben dies nach all den Jahren der Mobilisierungen seitens „der Empörten“ und der Gewerkschaften nicht verdient. Denn jetzt gibt es eine Chance auf einen echten Politikwechsel in Spanien und Europa. Auch wenn das Merkel nicht gefällt.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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1 Kommentar

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  • I
    iwern

    "Der Konservative wird den „Fall der Umschläge“, wie die Spanier den Skandal um die Schwarzgeldbezüge hoher Funktionäre der Volkspartei (PP) und von Ministern nennen, nicht aussitzen können."

     

    Ihr Wort in Gottes Ohren. Aber ich behaupte mal die PP hat mindestens soviel Sitzfleisch wie der alte Kohl. dieser Korruptionsskandal steht ja außerdem noch in Zusammenhang mit dem Fall Gürtel, über das sie ja auch schon geschrieben haben, ein korruptionsnetzwerk, dass schon seit laaaangen Jahren bekannt ist und mehrere Führungsfiguren, auch namentlich bekannt, einschloss und der PP bisher nicht einmal geschadet hat, ihr sogar die absolute Mehrheit bei den letzten Wahlen bescherte. Nach dem Gemetzel das sie gerade anrichten, dass ja auch nicht unvorhersehbar war, werden sie wahrscheinlcih abgwählt, aber bis dahin ist es noch ein Weilchen hin und man hat eine komfortable Mehrheit. Und für einen Wechsel müsste der Gegner auch erst mal einen Kandidaten aufstellen, der zieht. Vielleicht entwickelt sich aus der sogenannten Partido X, aus den Reihen der Empörten, etwas, aber das wäre schon ein sehr gewaltiger Umschwung. Bis dahin werden vielleicht ein paar Köpfe ausgetauscht. Aber ich glaub nicht dass es Neuwahlen gibt.

     

    Die Summe der Krisen könnte es machen, die die Regierung zu Neuwahlen zwingt, sie schlicht überlastet- Das Königshaus steht moralisch ramponiert da, die Ehe des königspaares ist mglw nur noch Fassade. Hinzu kommt die soziale Not, die die Kahlschlagpolitik mit sich bringt. Wenn die Katalanen nun noch ihr Unabhängigkeitstreferendum durchziehen und eine Mehrheit erhalten und die Basken in Bälde nachziehen (das war ja so vor kurzem noch nicht absehbar- der Treibsatz ist ganz klar die Wirtschaftskrise deund die Politikr PP, die Populisten auf Katalanischer Seite ausnutzen), Dann wird mglw auch die PP einsehen, dass Neuwahlen nötig sind.