Kommentar Qualifikation in der Sozialen Arbeit: Ein Beruf wird heruntergewirtschaftet
Im Kern ringen das niedersächsische Wissenschaftsministerium und die Hochschulen auch jetzt wieder um die Auf- und Abwertung eines Berufsstandes
W ie Niedersachsens Wissenschaftsministerium auf den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit reagiert, führt zu einer Inflation auf Kosten der Ausbildung. Der vorliegende Entwurf, der die staatliche Anerkennung von SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen neu regeln soll, würde zwar mehr einsetzbare Arbeitskräfte bescheren – aber um den Preis der bisher geltenden Qualitätsstandards.
Immerhin: Der Impuls, mehr Fachkräfte in diesem Bereich zu suchen, ist richtig. Dass es an ihnen mangelt, ist unstrittig. Absolute Uneinigkeit besteht hingegen darin, wie dieser Zuwachs zustande kommen soll: Das Ministerium schlägt vor, das staatliche Gütesiegel auch an AbsolventInnen anderer, allerdings nicht genauer benannter, „eng verwandter“ Fachbereiche zu vergeben. Die Hochschulen dagegen sagen seit vielen Jahren: Wir müssen mehr Leute ausbilden, gebt uns mehr Studienplätze.
Beim Widerspruch der betroffenen Hochschulen handelt es sich um weit mehr als die Besitzstandswahrung einer Berufsgruppe. Wie kaum ein anderer Bereich muss die Soziale Arbeit bis heute um Anerkennung kämpfen. Im Kern ringen das niedersächsische Wissenschaftsministerium und die Hochschulen neben den Standards der Ausbildung auch jetzt wieder um die Frage von Auf- und Abwertung einer Profession.
Frank Bettinger vom Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit hat recht: Das Vorurteil, Soziale Arbeit könne doch eigentlich jeder machen, schwingt bei dieser Novelle mit. Das deutet darauf hin, dass das Pendel mal wieder in Richtung einer Abwertung ausschlägt, die in anderen Berufen kaum denkbar wäre: Niemand würde auf die Idee kommen, bei Ärztemangel auf BiologInnen zurückzugreifen.
Offenbar ist an dem Befund mangelnder Wertschätzung etwas dran. Sonst hätte das Ministerium einen anderen Vorschlag präsentiert.
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