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Kommentar Pussy RiotSchwäche, nicht Stärke

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Mit dem harten Urteil gegen die Musikerinnen von Pussy Riot zeigt sich der Kreml nicht als starken Staat, sondern als Papiertiger, der vor drei jungen Frauen zittert.

D er Schuldspruch war zu erwarten. Das Moskauer Gericht erkannte im Fall Pussy Riot auf schuldig wegen Rowdytums auf Grundlage religiösen Hasses. Ein Freispruch hätte auch Fragen aufgeworfen: Warum mussten die drei Punkerinnen ein halbes Jahr in Untersuchungshaft verbringen und wie Schwerverbrecher in Handschellen vorgeführt werden?

Die politischen Machthaber hätten aber nicht nur einiges erklären müssen; oberflächlich und aus dem Blickwinkel ihrer traditionalistischen Klientel gesehen, wäre ein Freispruch der Schwäche gleichgekommen.

Stattdessen demonstriert der Kreml Härte. Ein Fehler wäre es jedoch, dies mit Stärke gleichzusetzen. Mit dem Prozess stellt er sich selbst ein erbärmliches Urteil aus. Ein Staat, der sich über drei junge Frauen hermacht, die in anderen Ländern bestenfalls zu einer Ordnungsstrafe verurteilt worden wären, offenbart seine Schwäche.

Bild: taz
KLAUS-HELGE DONATH

ist Russland-Korrespondent der taz.

Es ist nicht der starke Staat, den Putin nach außen suggeriert, sondern ein Papiertiger, der durch die Schallwellen der Punkerinnen ins Zittern geriet. Es war auch erst der Kreml, der der Causa durch seine Verfolgung globale Aufmerksamkeit verlieh. Vorbei ist die Zeit, als das System Putin es noch verstand, seine fragwürdige Politik wohlmeinenden Zaungästen als demokratisch, zumindest als rational zu verkaufen. Diesmal hat sich der Kreml gleich in beide Knie geschossen.

Wir können nur vermuten: In den Etagen der Macht muss erhebliches Chaos herrschen. Auch die orthodoxe Kirche, die sich zum Richter aufschwingt, hat wie ihr weltliches Pendant gezeigt, dass sie nicht Trägerin und Hüterin moralischer Autorität ist. Auch sie leidet an Schwäche und hat der Gesellschaft keine frohe Botschaft, sondern nur Rachegedanken anzubieten. Sonst hätte sie, statt den Kreml um Hilfe beim Strafvollzug zu bitten, Gnade walten lassen. Beide Institutionen leiden unter chronischem Muskelschwund.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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7 Kommentare

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  • A
    Alex

    Mein Kommentar mit einer freien Übersetzung des Punk-Gebets ist nicht veröffentlicht worden. Ich glaube, ein Redakteur hat ihn nicht freigeschaltet. Denn er enthält rassistische oder aus ähnlichen Gründen unangemessene Aussagen wie etwa der Nazi-Papst, der Schweinhund Papst, Merkel und Auschwitz. Der Redakteur hat recht. Ein solcher Kommentar hier wäre unzulässig. Umsomehr ein solches Gebet im Kölner Dom.

    w.z.b.w.

  • KP
    klaus priesucha

    Dass ein Staat, der so rabiat reagiert wie der russische, in gewisser Weise Schwäche offenbart, ist eine Banalität. Doch was folgt daraus? Soll er auf Härte verzichten, gewinnt er Stärke durch eine "weiche Hand" wie die eines Boris Jelzin? Der Aufbau bzw. grundlegende Umbau eines Staates ist in der Regel eine recht ungemütliche Angelegenheit, darüber sollte sich jeder klar sein, der von der zivilisatorischen Kraft der Staatsgewalt schwärmt. Stellen wir uns mal vor, ähnliches wie jetzt in Russland wäre in der BRD der 50er Jahre geschehen:

    -

    Eine pazifizistische Gruppe hätte auf dem Hochaltar des Kölner Doms gegen Adenauers Wiederbewaffnung ein kleines Happening veranstaltet, die Verfolgung der Homosexuellen angeprangert, und den Klüngel insbesondere der katholischen Kirche mit der CDU persifliert. Ich denke nicht, dass es da bei einer Geldstrafe geblieben wäre.

    -

    Die BRD der fünfziger Jahre ist als Vergleich besonders geeignet. Denn ähnlich wie das heutige Russland war es eine Nation bzw. Staatsform im Aufbau, die sich ihrer noch nicht sicher war und ein rabiates Sexual- wie auch politisches Strafrecht pflegte.

  • H
    hEaDaChE

    Ich habe durchaus keine Antipathien gegenüber den Mädchen, finde es aber lächerlich, wie sie in fast allen westlichen Medien als Speerspitze der Opposition hochstilisiert werden. In Russland erregen sie unter einem Großteil der Bevölkerung allerhöchstens Mitleid (auch bei meinen eher liberalen und anti-putinesken Verwandten dort). Dass dieses Urteil, wie in einem lustigen SPON-Kommentar angedeutet wird, ein Katalysator für eine blutige Revolution in Russland sein könnte, wage ich stark zu bezweifeln. Es sind auch kaum Schallwellen, die irgendwas im Machtapparat zum zittern bringen, zu vernehmen. Inwiefern die Justiz sich von der Exekutive beeinflussen lässt, vermag ich nicht zu deuten (mutet mir alles sehr spekulativ an). Allerdings werden in Russland seit Ewigkeiten (nicht erst seit Putin!) für deutlich kleinere Lappalien ähnliche Strafen verhängt. Nimmt man übrigens das StGB wortwörtlich, würde die Mädchen rein theoretisch ein ähnliches Strafmaß erwarten (s. §167 Abs. 1) Ja, ja, praktisch wird das höchstwahrscheinlich kaum realisiert und eine bundesrepublikanische Vollzugsanstalt lässt sich keinesfalls mit einem russischen Straflager vergleichen, aber ich finde diese künstliche Aufregung in Anbetracht dieses heimischen Gesetzes trotzdem lustig. Sei's drum, schade für die Kinder, und insbesondere schade für die russische Punkrock-Subkultur, die sowohl musikalisch als auch politisch deutlich mehr zu bieten hat (s. Razor Bois, Purgen, Diagens, Engage At Will, Distemper, Mausoleum, Give Em The Gun, und, und, und)

  • R
    reblek

    Kann bei solchen Gelegenheiten nicht der gute Freund des Verbrechers Putin namens Schröder regelmäßig ebenfalls an die Wand genagelt werden, bis er endlich sein großes Mail hält und sich in das Loch verkriecht, in das er - wie einst ein Herr aus Libyen - gehört?

  • S
    Schoenlink

    Schwäche nicht stärke. Richtig herr donath. Auf russland im allgemeinen und putin im speziellen reagiren sie Idiosynkratisch. Schwäche, nicht stärke. Einfach mal das thema wechseln.

  • JF
    Jo Franz

    Den Kram über die Drei vom "Mösenaufstand" weglassen.

    Den 34 ermordeten in der Platinmine gedenken.

    Jo Franz

  • C
    charlie

    Ich bin total enttäuscht von den russischen Hackern: warum haben sie nicht Pussy Riot unterstützt und heute die russischen Computersysteme und Behörden lahmgelegt und damit Putin kaputt gemacht? Sind die russischen Hacker so inkompetent geworden, dass sie nicht mehr russische Behörden-Systeme lahmlegen können? Können russische Hacker nur noch europäische Konten plündern?