Kommentar Proteste in Polen: Rasanter Abbau der Demokratie
Polens rechtsnationale Regierung stilisiert sich nach Protesten zum Opfer von Umsturzversuchen. Dabei ist sie es, die die Bervölkerung terrorisiert.
P olens rechtsnationale PiS-Regierung, die gerade einmal etwas länger als ein Jahr im Amt ist, bewirbt sich in Sachen Demokratieabbau um einen Platz im Guinnessbuch der Rekorde. So wurde das Verfassungsgericht – immerhin einer der wichtigsten Garanten für einen funktionierenden Rechtsstaat, erfolgreich kastriert. Dann kamen die Medien an die Reihe. Kritische Journalisten wurden kurzerhand entsorgt und durch PiS-hörige Berichterstatter ersetzt.
Doch das reicht offensichtlich immer noch nicht aus, um die vierte Gewalt kaltzustellen. Künftig sollen Journalisten zum Sejm, dem polnischen Parlament, nur noch beschränkten Zugang erhalten. Diejenigen, denen diese Gnade zuteil wird, dürfen dort aber weder Bild- noch Tonaufnahmen machen.
Aus Sicht der PiS, der Partei für Recht und Gerechtigkeit, ist dieser Schritt durchaus logisch. Im unbeobachteten Hinterzimmer, so wie jetzt bei der Abstimmung über den Haushalt des kommenden Jahres 2017, lässt es sich eben leichter mauscheln. Und es geht die Bevölkerung ja auch wirklich nichts an, wenn ein Abgeordneter ganz aus Versehen zweimal abstimmt.
Doch nicht nur das Tempo dieses Frontalangriffs auf die Verfassung macht fassungslos. Nicht minder haarsträubend ist die Rhetorik der Regierung, die sich jetzt allen Ernstes zu einem Opfer möglicher Umsturzabsichten der Opposition stilisiert. Wie anders sind die Einlassungen von Regierungschefin Beata Szydło und PiS-Chef Jarosław Kaczyński zu verstehen?
Szydło bezeichnete die Proteste der Opposition als skandalös, da sie den Interessen des Landes schaden würden. Und Kaczyński bezichtigt die Opposition des Terrors. Nein, Herr Kaczyński, es ist wohl eher Ihre Regierung, die die Bevölkerung terrorisiert.
Doch die Geduld der Polen ist endlich. Das haben sowohl die Proteste gegen eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes als auch gegen eine Bildungsreform in diesem Herbst gezeigt. Auch die Demonstrationen vom vergangenen Wochenende, die bisweilen in Handgreiflichkeiten ausarteten, sprechen für sich.
Ein Teil der Polen, der noch weiter anwachsen könnte, ist offensichtlich nicht bereit, sich mit einer fortschreitenden Entrechtung abzufinden. Somit ist die Kraftprobe noch längst nicht entschieden. Fragt sich nur, ob nicht die PiS am Ende den Kürzeren zieht.
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