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Kommentar Protestauftakt gegen G 20Spielt doch mit den Schmuddelkindern

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Die „Protestwelle“ gegen den Gipfel war nicht besonders hoch. Das lag am Wetter – und daran, dass die NGOs ein wichtiges Konfliktfeld meiden.

So viel wie erwartet war nicht los bei der „Protestwelle“ in Hamburg Foto: dpa

W ie sich die Zahlen doch ändern: Einst träumten viele von 100.000 Demonstranten zum G-20-Gipfel. Mit „mehreren Zehntausend“ Teilnehmern rechneten die Organisatoren der „Protestwelle“, dem offiziellen Demoauftakt vor dem Gipfel, dann nur noch. Bis am Sonntag bei strömendem Regen gerade einmal bis zu 10.000 Menschen kamen. Erwartungsmanagement war schon immer eine entscheidende Qualität von Protestveranstaltern. Aber ein Flop bleibt ein Flop bleibt ein Flop.

Einer der Gründe für diesen mauen Auftakt liegt darin, dass sich das G-20-kritische Bündnis auseinanderdividierte. Organisationen wie Campact, Greenpeace und der BUND wollten mit den vermeintlichen Schmuddelkindern, die zum Ende der Woche erwartet werden, nichts zu tun haben. Und so wirkte der Protest am Sonntag wie aus der Retorte, gepflastert mit Kampagnenfähnchen, die als Massenware verteilt wurden.

Damit verabschiedeten sich die Nichtregierungsorganisationen aus einem Konfliktfeld, in dem gerade ihre Stimme gefragt gewesen wäre. Denn wie derzeit die Bundesregierung aus Hamburg eine grundrechtsfreie Zone macht, ist bekämpfenswert.

Um ihre 38 Quadratkilometer große Demonstrationsverbotszone in Hamburgs City zu rechtfertigen, arbeitet auch die Regierung mit frisierten Zahlen. Erst waren es 4.000, dann „bis zu 8.000 Gewaltbereite“ und inzwischen „weit über 8.000 Extremisten“, die die Bundesregierung für die kommenden Tage erwartet.

G20 in Hamburg

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Zwar wird es wohl zu vielen hässlichen Szenen kommen, aber so viele gewaltbereite Globalisierungsgegner, wie die Polizei behauptet, gibt es in Deutschland auch dann nicht, wenn man die Rentner der RAF mitzählt. Das tut aber die Polizei. Sie meint mit „Gewaltbereiten“ auch solche Gruppen, die sich zwar als „linksradikal“ bezeichnen, aber selbst erst aus dem Bruch mit der Militanz der 80er Jahre hervorgingen. Der Grund für die Schummelei liegt auf der Hand: Je mehr Grundrechte in Hamburg eingeschränkt werden, desto dunkler malen die Behörden die Bilder vom Protest.

Was dabei untergeht: Am Freitag kommen in Hamburg Gäste wie Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan zusammen. Es gibt jedes Recht, gegen deren Politik zu demonstrieren. Nicht mit falschen Erwartungen, sondern ruhig und klug und solidarisch.

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Martin Kaul
Reporter
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6 Kommentare

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  • Die Artisten in der Zirkuskuppel ratlos...Da waren wir schon einmal vor knapp 50 Jahren. Es hat sich nichts unter der Sonne geändert. Aber 10.000 statt 100.000, das ist wirklich ein Flop. Erinnert fatal an die Demo gegen den Terror in Kökn, wo auch statt 10.000 nur knapp 1.000 Demonstranten kamen. Im Vergleich dazu war der Auftakt in Hamburg doch sehr erfolgreich. Aber es gibt Probleme, rieisige Probleme. Wer mit wem gegen wen, wenn ja warum und wenn nein, warum nicht! Vielleicht ist es Zeit darüber öffentlich nachzudenken. Der Artikel ist ein guter Einstieg! Die Diskusson: Gewalt oder nicht Gewalt bedarf darüber hinaus einer gesonderten Diskussion! Es wird nicht einfach...

  • 2G
    2284 (Profil gelöscht)

    Dass von Campact und Co keine Solidarität zu erwarten ist zeigt sich ja schon daran, dass sie mit ihren "Protestwelle" Plakaten auch gerne mal andere Aufrufe überkleben (z.B. Queerfeministischer Widerstand in der Paul Roosen Straße, bevor mir jetzt wieder wer mit konkreten Beispielen kommt).

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Es ist doch immer die gleiche Show, auf beiden Seiten.

    Diese Protestart ist nur lächerlich und erinnert an Kindergartenniveau.

    Es geht ja schon seit etlichen Gipfeln dieser Art so. Gebracht hat es nix.

    Wäre Zeit mal umzudenken und eine völlig neue Art des Protestes ins Leben zu rufen und das nicht nur zu Gipfelzeiten.

  • Demnächst bei Globetrotter:

    Beim kauf von Zelten gibt es auf die Gasmasken 50% Rabatt.

    In Stadien werden viel mehr gewaltbereite Menschen dazu eingeladen ihre Meinung zu äussern und mit Pay-TV finanziert. Aber Menschen die Scheiben der Hamburger Sparkasse einschlagen und sich gegen massiven Polizei Einsatz währen muss man kriminalisieren. Hooligans dürfen ruhig mit Katar und Fly Emirates Trikots die Weltwirtschaft ankurbeln.

  • Tja den etablierten Protest-Unternehmen geht es halt darum, den Kontakt zu halten und was für die eigen PR zu tun. Aber das ist alles ja auch nicht so neu, erinnern wir uns an die Distanzitis bei Brockdorf und Co... Jede Generation macht sich halt so gut lächerlich, wie sie kann....

  • Gerade zeigt die Polizei ihr demokratisches Gesicht in #Entenwerder!

     

    Wer nur die Charaktermasken des Kapitalismus um Veränderung anbettelt, will keine Veränderung. Die Krise heißt Kapitalismus, wer das nicht klar benennt, war heute auf der Straße!