Kommentar Pressefreiheit: Guter David, böser Goliath

Die Bahn wird nicht weiter gegen Blogger Beckedahl vorgehen. Es wäre auch sehr dumm von dem Konzern, die Verbreitung unbequemer Fakten durch Zensurmaßnahmen verhindern zu wollen.

Die Bahn will nicht weiter gegen Blogger Markus Beckedahl vorgehen. Das ist ein schöner Sieg für die Pressefreiheit. Das zuvor unveröffentlichte Protokoll über die Bahn-Schnüffeleien gegenüber ihren Mitarbeitern bleibt also online einsehbar (www.netzpolitik.org). Der Vorgang ist ein schönes Beispiel, wie Zensurbemühungen im Internet nach hinten losgehen können. Vor der Abmahnung durch die Bahn wurde das brisante Dokument knapp 3.000-mal aufgerufen, nach der Abmahnung binnen zweier Tage 60.000-mal. Andere Blogger und die Grünen hatten es zudem auf ihren Seiten ebenfalls veröffentlicht, die Bahn hätte also auch gegen diese vorgehen müssen - was aber auch nicht viel gebracht hätte, weil das Protokoll inzwischen schon auf Tauschbörsen kursierte.

Die Blogs haben in diesem Fall zwar nicht allein Öffentlichkeit hergestellt, aber sie haben wesentlich dazu beigetragen. Ihr Vorteil: Sie sind schnell, und sie sind viele, sie können also binnen wenigen Stunden eine Welle in ihrer Blogosphäre erzeugen, die dann auch konventionelle Medien beeindruckt.

Natürlich war in diesem Falle hilfreich, dass die Bahn und ihr Chef Mehdorn derzeit ohnehin mit dem Rücken zur Wand stehen. Weitere Negativ-Publicity können sie nicht brauchen, wohl auch deshalb haben sie ihren Zensurversuch nicht weiter verfolgt. Aber Beckedahl hatte auch das Recht auf seiner Seite. Gegenüber anrüchigen Geschäftsgeheimnissen muss die Pressefreiheit Vorrang haben. Leider wird es kein Urteil geben, das dies verbindlich feststellt.

Manche Beobachter meinen, dass die Zensur bei einem weniger renommierten Blogger wohl eher Erfolg gehabt hätte. Ein erstaunliches Argument: David-gegen-Goliath-Konstellationen funktionieren doch umso besser, je kleiner der David ist - es muss ja nur jemand von dem Fall erfahren und ihn skandalisieren. Es kommt vor allem darauf an, worum es geht. Ein Konzern, der die Verbreitung von Fakten über seine illegale Praktiken verhindern will, ist einfach dumm. Denn wenn Goliath auch noch böse ist, hat er in einer funktionierenden Öffentlichkeit keine Chance.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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