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Kommentar Politiker in der WirtschaftAuf dem Weg zur Lobbyslative

Kommentar von Svenja Bergt

Viele politische Entscheidungen lassen sich nur über eine große Nähe der Politik zur Wirtschaft erklären. Das tut keiner Demokratie gut.

Schleppende Aufklärung am Abgasskandal: Liegt das am Lobbyismus? Foto: dpa

W enn ein Lobbyverband einen frisch ausgeschiedenen Politiker einstellt, dann kauft er nicht nur sein Fachwissen. Sondern auch – mitunter vor allem – sein Adressbuch. Das wissen alle Beteiligten. Die Wirtschaft, die um sie wirbt, und natürlich die Politiker selbst – auch wenn sie es wohl lieber nicht so sehen möchten. Wer will schon für sein Netzwerk gekauft werden?

Das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft ist vielerorts unangenehm eng. Das zeigt nicht nur die aktuelle Studie von Transparency International über die beliebte Drehtür zwischen Politik und Lobbyismus. Sondern ebenso der Blick auf Parteispenden, auf gut bezahlte Nebenjobs von Abgeordneten in Berlin und Brüssel, die Dichte an Büros von Lobbyorganisationen – mitunter getarnt als Thinktanks oder Kanzleien – im Berliner Regierungs- und im Brüsseler Europaviertel.

Das geht bis zur Weigerung der Bundesregierung, Gästeliste und Rechnung eines Geburtstagsessens für den damaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann offenzulegen. Lieber jahrelang prozessieren und am Ende verlieren als ein bisschen Transparenz zeigen.

Es gibt reihenweise Fälle, in denen sich politische Entscheidungen nur über eine zu große Nähe zur Wirtschaft erklären lassen. Das überschaubare Interesse an Aufklärung etwa, das Regierung und Behörden hierzulande beim Abgasskandal zeigen. Die absehbar wirtschaftsfreundliche Umsetzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung in deutsches Recht. Oder, um auf Europa zu blicken, Vorschläge für Gesetzestexte, die wortgleich sind mit Vorschlägen der Industrie.

Die Einzelfälle summieren sich und tragen irgendwann zu einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber Politikern bei. Der Lobbyismus wird als eigene Gewalt wahrgenommen, als Lobbyslative. Kein Zustand, der einer Demokratie guttut. Aber etwas, das Parlamente und Regierungen ändern können. Wie? Die gut bezahlten Nebenjobs abschaffen. Mehr Transparenz bei Treffen mit Lobbyisten. Karenzzeiten für einen Jobwechsel, die mehr sind als ein Feigenblatt.

Das wäre ein Anfang. Und außerdem gut für das Selbstbewusstsein: Wenn eine Lobbyorganisation einen Politiker fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der Politik einstellt, macht sie das sicher wegen der Kompetenz. Und nicht wegen des Adressbuchs.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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2 Kommentare

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  • „Es gibt reihenweise Fälle, in denen sich politische Entscheidungen nur über eine zu große Nähe zur Wirtschaft erklären lassen“

     

    Allerdings berichtet der Bundesrechnungshof alljährlich reihenweise über krasse (und kostspielige) Fehlentscheidungen, die sich nur über eine zu große Ferne zu den Realitäten erklären lassen. Fachleute, die in den betreffenden Sachverhalten theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen haben, hätten das Schlimmste verhindern können, wenn man sie an der Entscheidungsfindung beteiligt hätte!

  • Seit Jahren kämpfen engagierte Leute für die Aufdeckung der Seilschaften zwischen Politik und Wirtschaft.Die allergrößten Lobbyisten sitzen nach wie vor fest im Sattel.Eine unglaubliche "Karriere" was das angeht hat Matthias Wissmann hingelegt.Dobrindt tut in seinen Fußstapfen exakt das Gleiche.Man kann ihnen nachweisen,was man will,das interessiert einfach die Leute,die es ändern könnten nicht die Bohne,denn die wissen das ja längst.