piwik no script img

Kommentar Pkw-MautBayerischer Schatten über Berlin

Kommentar von Richard Rother

Populist Seehofer will die Pkw-Maut für Ausländer. Ein Gewinnerthema bei den Koalitionsverhandlungen wird das sicher nicht – eher Verhandlungsmasse.

Könnte bald in Deutschland Realität werden. Bild: dpa

M it der Juristerei ist das so eine Sache: Die einen sagen so, die anderen so, und wer recht hat, weiß man erst, wenn die letzte Instanz entschieden hat. So ist es auch bei der Frage, ob eine Pkw-Maut in Deutschland europarechtlich zulässig sei, die ausländische Autofahrer voll belastet, während inländischen eine Kompensation durch Senkung der Kfz-Steuern winkt.

Jetzt hat EU-Verkehrskommissar Siim Kallas angedeutet, dass dieses Vignettenmodell prinzipiell in Ordnung sei. Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und in Brüssel munter heruminterpretiert wird: Für den Mautverfechter und CSU-Chef Horst Seehofer ist das ein Erfolg. Er darf nun mit seiner Position gleichberechtigt am Tisch der Koalitionsverhandlungen in Berlin Platz nehmen. Entscheiden müssen die Koalitionäre in spe – und da bleiben in der Sache viele Zweifel an der Maut.

Wobei bei den Verhandlungen zwischen CDU, SPD und CSU nicht nur sachliche, sondern auch sachfremde Argumente eine Rolle spielen. Wird die Maut vielleicht gar eine Kompensation für die von der SPD geforderte doppelte Staatsbürgerschaft, die die CSU ablehnt?

Der begnadete Populist Seehofer, der schon mit seinem Widerstand gegen die Kopfpauschale im Gesundheitssystem nah am Bürger war, hat sich diesmal die Stimmung vieler bayerischer Autofahrer zu eigen gemacht. Sie mögen es nicht, in Tschechien oder Österreich per Maut zur Kasse gebeten zu werden, während die Nachbarn umsonst über deutsche Straßen kurven. Die Maut würde dies beenden.

Fragwürdige Lenkungswirkung

Sonst aber ist die Maut – aus guten Gründen – in Deutschland unbeliebt; auch der mächtige Autofahrerclub ADAC macht Front dagegen. Seine Befürchtung: Einmal eingeführt, kann sie immer wieder erhöht werden – ohne Kompensation bei der Kfz-Steuer. Auch die Umweltverbände lehnen die Jahresvignette ab. Denn die könnte Autofahrer dazu verleiten, bei geplanten Reisen erst recht nicht auf die Bahn umzusteigen, da sie ja schon für die Straßennutzung bezahlt haben. Die Vignette hat somit keine vernünftige verkehrspolitische Lenkungswirkung.

Diese ließe sich mit einer streckenbezogenen Maut erzielen, aber die lässt sich nicht sinnvoll umsetzen. Der Aufbau der dafür nötigen Überwachungsinfrastruktur ist viel zu teuer, um von der Bevölkerung – sie zahlt letztlich dafür – akzeptiert zu werden. Und kaum jemand möchte, dass zur Abrechnung der Mautgebühren eine private Firma penibel erfasst, wer wann wohin wie schnell gefahren ist.

CDU und SPD werden sich also dreimal überlegen, ob sie sich viel Ärger einhandeln wollen, um Seehofer zu helfen. Ein Gewinnerthema ist die Maut keinesfalls. Am Ende könnte die Vignette also bleiben, was sie schon häufiger war: bayerische Verhandlungsmasse in Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • S
    Sören

    Mit der Maut-Diskussion hat die CSU einen populistischen Schlager produziert, und gleichzeitig geschickt davon abgelenkt, dass ihr Verkehrsminister in den letzten 4 Jahren wenig Leistung gebracht hat.

     

    Eine Maut wird, wenn man nicht mit einer Pauschale arbeitet, zu einem bürokratischen Monster. Um wirklich zu keiner Mehrbelastung für deutsche Autofahrer zu kommen müsste man diverse Detail-Regelungen treffen. Die CSU ist sonst gegen Bürokratie, und will hier das komplette Gegenteil. In die Lebensrealität eines vereinten Europa passt die Maut Hinten und Vorne nicht.

     

    Die Menschen werden jetzt merken, dass die Behauptung der Union, ohne Steuererhöhungen alle notwendigen Investitionen zu realisieren, falsch war. Die CSU hat in den Verhandlungen eine Art Trumpf, mit dem sie vielleicht die Aufteilung des Agrar- und Verbraucherschutz-Ministeriums verhindern kann.

  • S
    Schwabe

    Bin zwar kein Bayer, aber korrekterweise müsste man die Machtverhältnisse

    eher mit "Berliner Schatten über Bayern" betiteln.

    Umgekehrt erweckt das eher den Eindruck von lästiger Aufmümpfigkeit.

  • also doch Steuererhöhung, durch PKW-Maut..., erstes Wahlversprechen von CDU/CSU,

    keine Steuererhöhungen, gebrochen...,

  • B
    Beobachtorius

    Naja, einer pokert und um ihn herum machen sich alle Gedanken über die Sinnhaftigkeit seines Tuns und kriegen nur so am Rande mit, dass er sie mit planvoll sinnlos verwirrender Taktik unter den Tisch blufft.

     

    Wenn am Ende der Clown gewinnt - wer hat dann recht? Die, die über ihn lachen, weil sie ihm ins Netz gegangen sind?