Kommentar Piraten: Entmachtet die Macht
Die Kopplung von Demokratie und Transparenz ist ein banaler Gedanke, an der Umsetzung hapert es trotzdem. Die Piraten sind auf der Suche nach dem guten System.
N ach der Fraktionssitzung am Samstag könnte man die Piraten wieder zerreißen: Es ging noch immer nicht um Inhalte, es ging um die Form: um transparente, fruchtbare Kommunikation und auch um dazugehörige Techniken.
Aber ist das überhaupt ein Nachteil? Dass die Suche nach geeigneten innerparteilichen Strukturen gerade in Deutschland auf so wenig Verständnis stößt, ist verwunderlich. Dabei sind die Deutschen doch so stolz auf ihre Demokratie, im Glauben, dass ein gutes System besser ist als eine gute Macht.
Abgesehen von der Netzpolitik haben Piraten bloß alte Ideen: Ein libertäres Bildungssystem, das bedingungslose Grundeinkommen, Entkommerzialisierung des öffentlichen Sektors, ja die Transparenz selbst hätte es auch mit anderen Parteien geben können. Das ist aber deshalb noch immer aktuell, weil Themen ganz offenbar nicht immer das Wichtigste sind. Wenn sich Politiker inszenieren, wenn die Gewissensfreiheit der Abgeordneten dem Fraktionszwang geopfert wird, geht es nicht um Kompetenzen, sondern um Macht.
22 Jahre alt, ist Teilnehmerin des taz-Panther-Workshops.
Weil das Problem ein systemisches ist, machen Piraten Hoffnung. Die Kopplung von Demokratie und Transparenz ist ein banaler Gedanke; ihn in der eigenen Partei umsetzen zu wollen ist zwar auch nicht neu, allerdings bei weitem nicht umgesetzt. Mit der Forderung nach transparenter Politik und ihrer Umsetzung in den eigenen Reihen könnten die Piraten der Ausgangspunkt einer neuen Kultur werden, die demokratisch ist.
„Entmachtet die Macht und gebt sie dem Inhalt!“, ruft der Verstand. Ohne Transparenz unmöglich. Die Piraten verkörpern das, was diesem System fehlt, und sind deshalb schon das, was dieses Land braucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken