Kommentar Pendlerpauschale: Im Grünen wohnen wird teuer
Der Finanzhof hat die Pendlerpauschale abgestraft? Für Vielfahrer kein Grund zur Freude. Denn mit steigenden Benzinpriesen wird das Pendeln auch mit Entfernungszulagen immer teurer.
V iele Pendler werden am Mittwoch eine Flasche Sekt aus dem Keller geholt haben. Denn der Bundesfinanzhof hat entschieden: Es ist verfassungswidrig, dass nur wer mehr als 20 Kilometer zur Arbeit fährt, 30 Cent pro Kilometer von der Steuer absetzen darf. Diese Regelung galt seit Januar 2007.
Doch die Häuslebauer, die auf der Suche nach billigem Bauland rücksichtslos die Landschaft zersiedeln, sollten lieber nüchtern bleiben. Zwar ist es wahrscheinlich, dass auch das Bundesverfassungsgericht das schlampig formulierte Gesetz Ende des Jahres zurückweist. Längerfristig aber wird es immer teurer werden, weit draußen im Grünen zu wohnen. Und das ist gut so. Schließlich ist nicht einzusehen, dass Leute im Vorteil sind, die ihre Mitmenschen tagtäglich mit Autoabgasen eindieseln.
Jahrzehntelang hat der Staat Menschen dafür belohnt, dass sie möglichst weit mit dem Auto zur Arbeit anreisten - während Busnutzer, Radler und Fußgänger benachteiligt wurden. Nur ein Jahr lang waren alle gleichgestellt, dann trat das jetzt geltende Gesetz in Kraft. Begründet wurde die Neuerung mit dem begrüßenswerten Ziel, der Staatskasse jährlich 2,5 Milliarden Euro zu ersparen.
Zwar wäre aus umweltpolitischer Sicht eine völlige Streichung der Wegekostenerstattung am besten. Doch das ist zurzeit nicht durchsetzbar. Deshalb ist zunächst eine aufkommensneutrale Lösung anzustreben. Die könnte so aussehen, dass das Finanzamt jeden wie auch immer zurückgelegten Kilometer zur Arbeit mit 15 Cent bewertet, haben die Bündnisgrünen ausgerechnet. Das wäre immerhin eine Halbierung des Betrags, der noch zu rot-grünen Zeiten galt und würde einen Teil der Kosten den Autopendlern aufbrummen.
Doch selbst wenn sich die Bundesregierung entschließen sollte, die 2,5 Milliarden Euro wieder rauszurücken, ist der Traum vom billigen Eigenheim im Grünen bald ausgeträumt. Denn eines ist sicher: Die Benzinpreise steigen und steigen. Keine Entfernungspauschale wird sie ausgleichen können. Damit wird zudem ein massiver Werteverfall abgelegener Immobilien einhergehen. Aus diesem Grund ist den Besitzern von abgelegenen Häusern anzuraten: Selters statt Sekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden