Kommentar Papst über Homosexuelle: Folgenloses Geplauder
Die Forderung des Papstes nach mehr Respekt vor Homosexuellen ist ein alter Hut. Konkrete Konsequenzen für seine Kirche zieht er nicht.
Man sollte die Pressegespräche des Papstes auf den Rückflügen seiner Auslandsreisen einfach ersatzlos streichen. So anregend das Geplauder auch sein mag, in Sachen Kirchenpolitik oder gar Dogmatik ist es, bei aller Liebe zu Papst Franziskus, mehr als verzichtbar. Erinnert sei etwa an sein Dahingerede vom „würdevollen“ Schlagen von Kindern oder von der „karnickelhaften“ Reproduktionsrate von Katholikinnen.
Ähnliches zeigt sich erneut bei den jüngsten Äußerungen des Papstes auf dem Rückflug von seiner Armenienreise: Nun sollten also die Christen um Vergebung bitten für die vielen falschen Entscheidungen, die sie „begleitet“, nicht: begangen haben. Das ist nett gesagt, mag für einige überraschend sein und in manchen katholischen Ländern mit homophoben Staatschefs wie etwa den Philippinen eine segensreiche Wirkung haben – aber eigentlich ist es eine Nichtnachricht.
Denn der Papst sagt „Christen“, wo er „meine Kirche“ sagen müsste. Denn nur für sie trägt er Verantwortung. Er individualisiert eine strukturelle Sünde dieser Kirche auf einzelne Gläubige, obwohl er eigentlich von Kirchenrecht und Kirchenstrukturen sprechen müsste.
Zum Dritten sind gut gemeinte Bitten um Vergebung allzu billig, wenn sie nicht auch ein anderes Recht und die ehrliche Respektierung etwa von Homosexuellen und Frauen in der Kirche nach sich ziehen. Und schließlich ist die Forderung des Papstes nach mehr Respekt vor Homosexuellen ein alter Hut. Denn das ist schon seit Jahren die Linie des Vatikans: Respekt haben – sofern sie ihre Sexualität nicht leben.
Der Papst hatte nach der Familiensynode im vergangenen Herbst die Chance, in sein viel verbindlicheres Lehrschreiben „Amoris laetitia“ genau diese Entschuldigungen aufzunehmen und konkrete Konsequenzen für seine Kirche, etwa im Hinblick auf Homosexuelle, zu ziehen. Er hat es nicht getan. Das Geplauder im Flugzeug ist deshalb – sorry! – nichts wert.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung