Kommentar Palästinensische Häftlinge: Hungern für ein Selfie
Im Einzelfall kann der Hungerstreik erfolgreich sein. Als Massenprotest ist die Nahrungsverweigerung erfahrungsgemäß wenig sinnvoll.
H ungerstreiks palästinensischer Häftlinge sind für Israels Sicherheitsbehörden ein empfindliches Thema. Um den Tod eines Häftlings und die darauf sicher folgenden Unruhen zu verhindern, haben Anwälte wiederholt Kompromisse für ihre hungerstreikenden Mandanten erwirken können. Meist geht es bei sogenannten Administrativhäftlingen darum, die Haftzeit, die den israelischen Regeln entsprechend alle sechs Monate von Richterhand verlängert werden muss, stillschweigend auslaufen zu lassen. Im Einzelfall kann der Hungerstreik also Früchte tragen. Als Massenprotest hingegen ist die Methode der Nahrungsverweigerung erfahrungsgemäß wenig sinnvoll, wenn nicht sogar kontraproduktiv.
Marwan Barghuti, einst Chef der Fatah-Jugend, hält die Zügel beim Streik der Häftlinge in den Händen. Der zu mehrfach lebenslänglicher Haft verurteilte Politiker hat hinter Gittern promoviert, auf Hebräisch. Das Fernstudium an einer israelischen Universität gehörte über Jahre wie selbstverständlich zu den Rechten der Häftlinge, bis die Gefängnisbehörde als Reaktion auf einen Streik die Lehrbücher aus den Zellen entfernen ließ.
Barghuti spricht in seinem Appell, sich dem Hungerstreik anzuschließen, von Folter und Erniedrigung. Tatsächlich entsteht beim Lesen der Forderungsliste der Eindruck, als sei es um die Bedingungen in den Gefängnissen gar nicht so schlecht gestellt. Denn dort ist weder von Haft ohne Richter noch von Peinigern in Uniform die Rede, obschon es bekanntermaßen beides gibt – sondern von Satellitenfernsehen, vom Zugang zum Telefon und vom Selfie, das alle drei Monate im Rahmen der Familie fortan möglich sein soll.
Wie lange es sich dafür zu hungern lohnt, mag sich der ein oder andere der rund 1.500 Streikenden sehr bald selbst fragen. Und dann vermutlich viel früher aufgeben, als es Barghuti und seine Mitstreiter erwarten mögen.
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