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Kommentar Palästina vor der UNOBeifall für Standhaftigkeit

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Präsident Mahmud Abbas hat dem Druck nicht nachgegeben und den Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft Palästinas aufrechterhalten. Auf Obama darf er aber nicht mehr hoffen.

S chon lange nicht mehr hat ein Redner vor der UNO-Generalversammlung so viel Beifall und stehende Ovationen erhalten, wie Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas vor, während und nach seinem Auftritt am Freitagabend.

Der starke Beifall erinnert nicht nur daran, welch hohen Stellenwert der israelisch-palästinensische Konflikt und seine möglichst baldige Überwindung durch eine gerechte Zweistaaten-Lösung für die große Mehrheit der 193 UNO-Mitgliedsstaaten haben. Er galt darüberhinaus einem Mann, der in den bisherigen acht Jahren seiner Amtszeit als Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde mehrfach umgefallen ist. Häufig wurde Abbas nicht nur in der palästinensischen Öffentlichkeit als zu nachgiebig gegenüber Washington und zu kompromißbereit mit Israel kritisiert.

Doch in den letzten Tagen und Wochen widerstand Abbas massivem Druck, Drohungen sowie politischen und finanziellen Erpressungsversuchungen aus Washington, Tel Aviv, sowie aus Berlin und anderen europäischen Hauptstädten, seinen Antrag auf Vollmitgliedschaft des Staates Palästina in der UNO zurückzuziehen. Auch die wiederholte Veto-Drohung der USA, und die Rede, mit der sich US-Präsident Barak Obama am Dienstag vor der Generalversammlung in völliger Abkehr von seiner Rede vor genau einem Jahr gänzlich auf die Seite der israelischen Regierungspolitik stellte, konnte Abbas nicht umstimmen.

Bild: kristin flory
Andreas Zumach

ist UN-Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Genf, Schweiz.

„Es war die zionistischste Rede, die Obama in seiner ganzen bisherigen Amtszeit gehalten hat "und über dem Rednerpult fehlte nur noch ein Bild von Theodor Herzl" kommentierte die israelische Zeitung Jdiot Achronot den Auftritt Obamas. Und spätestens diese Rede zerstörte die letzten Illusionen auf die Unterstützung der Obama-Administration für eine gerechte Zweistaatenlösung. Obama wird trotz dieses Kniefalls vor der israelischen Regierungslobby in den USA die Wahlen im November 2012 verlieren. Und von seinem republikanischen Nachfolger haben die Palästinenser noch weniger zu erwarten.

In dieser Situation blieb Abbas nur noch die Option, nicht mehr weiter auf die Unterstützung der bisherigen Weltmacht USA zu setzen, sondern auf die Mehrheit in der UNO-Generalversammlung, auf stärkere Unterstützung der arabischen Staaten unter ihren künftigen demokratischen Regierungen und auf die Türkei.

Auch die Europäer könnten eine konstruktive Rolle spielen, wenn sie endlich begreifen, daß die Anerkennung des Staates Palästina und seiner Aufnahme in die UNO jetzt möglicherweise die letzte historische Chance bietet für die Realisierung einer gerechten Zweistaaten-Lösung in den Vorkriegsgrnezn von 1967 und damit auch die letzte Chance für eine auf Dauer gesicherte Existenz des Staates Israel mit einer mehrheitlich jüdischen Bevölkerung.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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6 Kommentare

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  • A
    Arafat

    @Remy Zeno: Bitte nicht wieder die Nazi-Keule rausholen. Das wird langsam wirklich ein alter Hut, und bei zu viel Wiederholung kann es passieren, dass dann keiner mehr zuhört...der Grund warum linke, also progressive, Medien keine Palästina - Hetze betreiben, und somit nicht die israelische Seite sprechen lassen, die leider von rechtsextremen Zionisten vereinnahmt wird, die uns erzählen wollen, sie sprechen für alle Juden (was absolut nicht der Fall ist), ist, dass die Gründe für eine länger andauernde Besatzung (die bereits 45 Jahre andauert)immer unglaubwürdiger werden, und das Leiden der Palis für uns Westler immer unerträglicher...

    @Stefan: komm schon, wir wissens doch eh: du heisst in Wirklichkeit Shlomo, sitzt in Tel Aviv und bist Mitglied von "Israel Beitenou" und vom "Bétar"...

  • P
    Philbert

    "Obama wird trotz dieses Kniefalls vor der israelischen Regierungslobby in den USA die Wahlen im November 2012 verlieren." Als wenn die Präsidentschaftswahl wesentlich von der Nahost-Politik abhinge. Jeder Ami würde sich totlachen bei so einem Statement. Die USA haben z.Z. wirklich größere Probleme und die Wahl ist noch längst nicht entschieden.

  • S
    Stefan

    Man sollte evtl. einige Floskeln in Klartext übersetzten.

    "...welch hohen Stellenwert der israelisch-palästinensische Konflikt und seine möglichst baldige Überwindung durch eine gerechte Zweistaaten-Lösung für die große Mehrheit der 193 UNO-Mitgliedsstaaten haben." Klartext: Die Mehrheit[...] ist an der baldigen Überwindung Israeles interessiert, was "gerecht" wäre.

    "...massivem Druck, Drohungen sowie politischen und finanziellen Erpressungsversuchungen aus Washington, Tel Aviv, sowie aus Berlin und anderen europäischen Hauptstädten." Klartext: Diese Staaten sind nicht mehr bereit, den palästinensischen (diplomatischen) Krieg zu finanzieren, wenn keine Friedensabsicht besteht. Welch' Frechheit!

    "Und spätestens diese Rede zerstörte die letzten Illusionen auf die Unterstützung der Obama-Administration für eine gerechte Zweistaatenlösung." Klartext: Die Palästinenser wähnten Obama auf ihrer Seite im Kampf gegen den Staat Israel.

    "Obama wird trotz dieses Kniefalls vor der israelischen Regierungslobby in den USA die Wahlen im November 2012 verlieren." Klartext: Obama buckelt vor der jüdischen Weltregierung, die ihn aber nur verarschen.

    "...nicht mehr weiter auf die Unterstützung der bisherigen Weltmacht USA zu setzen, sondern auf die Mehrheit in der UNO-Generalversammlung, auf stärkere Unterstützung der arabischen Staaten unter ihren künftigen demokratischen Regierungen und auf die Türkei." Die USA opfern ihre Führungsposition zu Gunsten von Israel. Die arabischen Staaten bleiben antisemitisch, auch nach einer möglichen Demokratisierung. Die Türkei ist die neue antisemitische Führungsmacht in der arabischen Welt.

    "Auch die Europäer könnten eine konstruktive Rolle spielen, wenn sie endlich begreifen, daß die Anerkennung des Staates Palästina und seiner Aufnahme in die UNO jetzt möglicherweise die letzte historische Chance bietet für die Realisierung einer gerechten Zweistaaten-Lösung in den Vorkriegsgrnezn von 1967 und damit auch die letzte Chance für eine auf Dauer gesicherte Existenz des Staates Israel mit einer mehrheitlich jüdischen Bevölkerung." Klartext: Europa ist jetzt gefragt, den Juden/Israelis endlich die Kante zu zeigen. Wir werfen den Staat Israel seinen Feinden zum Fraß vor, behaupten aber, das geschehe alles zum Wohle Israels. Somit kann uns keiner nachsagen, wir wären Israelhasser oder Antisemiten.

  • W
    Webmarxist

    Mahmud Abbas ist ein Mensch der für sein Volk kämpft. Er legt sich auch mit den USA an, um das Ziel von einen eigenständigen souveränen Staat Palästina zu erreichen. Solche Menschen braucht die Politik. Jemanden der mit voller Überzeugung für seine Sache kämpft, ohne Kompromisse einzugehen.

  • RZ
    Remy Zeno

    Die Tatsache, dass sich die Nahostdebatte in der letzten Zeit extrem einseitig in Richtung einer Pro-Palästina-Propaganda verschiebt macht mir Sorgen. Die Israelische Seite, oder gar kritische Stimmen zu Palästina sind garnicht mehr zu finden.

     

    Auf den Wogen der aktuell von vielen deutschen Medien (auch und gerade von der TAZ) geschürten Anti-Israel-Haltung, erwarte ich, dass Anti-Semintismus und Judenhass bald wieder salonfähig werden.

     

    Dies ist eine sehr kritische Entwicklung.

  • V
    vic

    Einen Beitag, in dem Palästina und alles was damit zusammenhängt, nicht gnadenlos zerissen wird, sehe ich selten. Noch dazu Kritik an der Haltung der USA.

    Kompliment, Herr Zumach