Kommentar Palästina vor der UNO: Beifall für Standhaftigkeit
Präsident Mahmud Abbas hat dem Druck nicht nachgegeben und den Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft Palästinas aufrechterhalten. Auf Obama darf er aber nicht mehr hoffen.
S chon lange nicht mehr hat ein Redner vor der UNO-Generalversammlung so viel Beifall und stehende Ovationen erhalten, wie Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas vor, während und nach seinem Auftritt am Freitagabend.
Der starke Beifall erinnert nicht nur daran, welch hohen Stellenwert der israelisch-palästinensische Konflikt und seine möglichst baldige Überwindung durch eine gerechte Zweistaaten-Lösung für die große Mehrheit der 193 UNO-Mitgliedsstaaten haben. Er galt darüberhinaus einem Mann, der in den bisherigen acht Jahren seiner Amtszeit als Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde mehrfach umgefallen ist. Häufig wurde Abbas nicht nur in der palästinensischen Öffentlichkeit als zu nachgiebig gegenüber Washington und zu kompromißbereit mit Israel kritisiert.
Doch in den letzten Tagen und Wochen widerstand Abbas massivem Druck, Drohungen sowie politischen und finanziellen Erpressungsversuchungen aus Washington, Tel Aviv, sowie aus Berlin und anderen europäischen Hauptstädten, seinen Antrag auf Vollmitgliedschaft des Staates Palästina in der UNO zurückzuziehen. Auch die wiederholte Veto-Drohung der USA, und die Rede, mit der sich US-Präsident Barak Obama am Dienstag vor der Generalversammlung in völliger Abkehr von seiner Rede vor genau einem Jahr gänzlich auf die Seite der israelischen Regierungspolitik stellte, konnte Abbas nicht umstimmen.
ist UN-Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Genf, Schweiz.
„Es war die zionistischste Rede, die Obama in seiner ganzen bisherigen Amtszeit gehalten hat "und über dem Rednerpult fehlte nur noch ein Bild von Theodor Herzl" kommentierte die israelische Zeitung Jdiot Achronot den Auftritt Obamas. Und spätestens diese Rede zerstörte die letzten Illusionen auf die Unterstützung der Obama-Administration für eine gerechte Zweistaatenlösung. Obama wird trotz dieses Kniefalls vor der israelischen Regierungslobby in den USA die Wahlen im November 2012 verlieren. Und von seinem republikanischen Nachfolger haben die Palästinenser noch weniger zu erwarten.
In dieser Situation blieb Abbas nur noch die Option, nicht mehr weiter auf die Unterstützung der bisherigen Weltmacht USA zu setzen, sondern auf die Mehrheit in der UNO-Generalversammlung, auf stärkere Unterstützung der arabischen Staaten unter ihren künftigen demokratischen Regierungen und auf die Türkei.
Auch die Europäer könnten eine konstruktive Rolle spielen, wenn sie endlich begreifen, daß die Anerkennung des Staates Palästina und seiner Aufnahme in die UNO jetzt möglicherweise die letzte historische Chance bietet für die Realisierung einer gerechten Zweistaaten-Lösung in den Vorkriegsgrnezn von 1967 und damit auch die letzte Chance für eine auf Dauer gesicherte Existenz des Staates Israel mit einer mehrheitlich jüdischen Bevölkerung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten