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Kommentar Oslo als autofreie StadtGeht doch

Kommentar von Svenja Bergt

Oslo macht es vor: Ab 2019 dürfen keine Privatautos mehr in der Innenstadt fahren. Punkt. Von solch einem Fortschritt ist Deutschland weit entfernt.

München im Stau: Zu Fuß laufen hat doch auch seinen Reiz. Foto: ap

E ndlich: Während wir hier noch über Stickoxide reden und darüber, ob Dieselautos nun 60 oder 270 Prozent mehr als eigentlich zulässig ausstoßen dürfen, packen sie in Oslo das Problem einfach an der Wurzel. Keine Privatautos in der Innenstadt ab 2019. Punkt. Wer nicht laufen mag, der soll halt Rad fahren oder den öffentlichen Nahverkehr nehmen, es ist schließlich nicht so, dass Pkws das einzig ernstzunehmende Fortbewegungsmittel wären.

Genau das ist aber die Wahrnehmung in Deutschland. Fahrräder, Busse und Bahnen, das ist schön in der Theorie, doch in der Praxis sieht es dann so aus, wie in München: Da wollen sie eine vierspurige Straße mit Radstreifen versehen. Doch weil auf keinen Fall Parkplätze oder eine Fahrspur für die Autos wegfallen dürfen, sah die letzte Planung für die Radfahrer in der Breite 150 Zentimeter Platz vor. Sicher ein Supergefühl, so zwischen Lieferverkehr rechts und Fließverkehr links. Könnte man bitte Dienstwagen für Politiker und Behördenleiter abschaffen und sie regelmäßig in unterschiedlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen lassen?

Klar, der Industrie ist jedes Mittel recht. Elektroautos, Car-Sharing-Angebote und selbst fahrende Pkws entwickeln die Konzerne sicher nicht, weil sie von den Konzepten so überzeugt sind. Sondern weil sie die Menschen um jeden Preis ans Auto binden wollen. An die individuelle und motorisierte Fortbewegung als die einzig Wahre.

In Kopenhagen wissen sie schon lange, dass es Fußgänger und Radfahrer sind, die eine Stadt lebendig und lebenswert machen. London hat 2003 mit der City-Maut Maßstäbe gesetzt. Und nun Oslo, wo es übrigens jetzt schon eine Maut gibt. Währenddessen sind sie in Deutschland immer noch dabei, den Schock der Umweltzonen zu verdauen, und lassen sich eher von der EU-Kommission verklagen als Autos aus Innenstädten zu verbannen.

Bloß nicht die Mobilität verändern. Es könnte ja besser werden.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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5 Kommentare

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  • Warum ziehen die Leute nicht aufs Land? Da gibt´s viel frische Luft und kilometerlange Landstraßen zum naturnahen Radeln.

  • Deutsche Städte verlieren den Anschluss.

     

    Während viele europäische Städte massiv umsteuern und Alternativen zum mot. Verkehr anbieten, läuft es bei uns andersrum.

    Die ohnehin beklagenswerte Radinfrastruktur wird zurückgebaut zugunsten von "Mischverkehr" und seiner Lightvariaqnte, den Radstreifen.

     

    Dieses Prinzip Pamplona, Running with the bulls, schließt Kinder, Ältere und überhaupt alle nicht vollfitten unter dem scheinheiligen Argument "Sicherheit" durch "bessere Sichtbarkeit" (Rotkäppchenprinzip) vom Radverkehr aus.

     

    Das ist der Sinn der Sache.

     

    Sicher und sichtbar wird Radverkehr dadurch, dass viele radeln. Dann wird mit Radlern gerechnet, dann werden Radler gesehen (Safety in numbers).

     

    Dieser "Mischverkehr" wird promoted von der "Unfallforschung" UDV (zu 100% von Kfz-Versicherungen finanziert, größter Drittmittelgeber in der Verkehrsforschung), von den Asphaltcowboys des ADFC und von sämtlichen Parteien (Wenn es um Verkehr, sprich Kfz geht, dann gibt es keine Parteien mehr. Dann gibt es nur noch Deutsche.).

     

    Verkehrspolitik als Industriepolitik.

     

    Der "Mischverkehr" wurde unter der Ägide Wissmanns (Oberster Autolobbyist Deutschlands) Gesetz.

     

    Besonders von den Grünen verlange ich eine inklusive Verkehrspolitik.

     

    Zwar ist Verkehrspolitik auch bei den Grünen Männerpolitik. Doch gerade von den Grünen Männern hätte ich erwartet, dass der Pädophilie-Skandal auch strukturell aufgearbeitet wird und die Bedürfnisse und der notwendigen Schutzraum der Kinder zumindest etwas ernster genommen werden.

  • Sehr schöner Kommentar! Auf den Punkt gebracht.

  • Was für tolle Beispiele Kopenhagen und Oslo für die Welt sind. Ich sage: Yeah. Und dann wird es auch für die restlichen Städte immer schwieriger zu sagen: Geht nicht. Denn Kopenhagen und Oslo machen es ja vor und sind ein Topbeweis.

  • toller kommentar, bester schlusssatz