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Kommentar Opposition in der UkraineNeuwahlen, sofort!

Kommentar von Barbara Oertel

Die Oppositionsparteien müssen an der Rücktrittsforderung festhalten. Denn die Regierung Janukowitsch ist planlos und verdient kein Vertrauen.

Die Europa-Befürworter in Kiew geben nicht auf. Bild: dpa

Z ugegeben: Die Weigerung der ukrainischen Oppositionsparteien, sich mit „Halsabschneidern und Banditen“ – gemeint ist die Regierung von Staatspräsident Janukowitsch – auch nur an einen Tisch zu setzen, wenn ihre Bedingungen nicht erfüllt werden, ist derzeit wenig hilfreich. Sie ist aber verständlich.

Zu oft mussten Janukowitschs Widersacher, aber auch die Demonstranten auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in den vergangenen Tagen erleben, dass die Verantwortlichen das eine sagen und etwas völlig anderes tun. Es werde keine Gewalt gegen die Protestierenden angewendet, hieß es: Das hielt die Staatsmacht aber nicht davon ab, wenig später Sondereinheiten auf die Menge losschlagen zu lassen.

Nein, diese Regierung ist planlos und verdient kein Vertrauen. Genauso wie sie zwischen Russland und der EU laviert, so spielt sie auch die verschiedenen Gruppen in ihrem Land gegeneinander aus. Das Kalkül ist, Zeit gewinnen, um die Krise irgendwie auszusitzen. Und wenn die Kälte ein Übriges tut und den Kampfgeist allmählich erlahmen lässt, umso besser.

Vor diesem Hintergrund scheint es eher unwahrscheinlich, dass sich ausgerechnet Janukowitsch darauf einlassen wird, mit den Oppositionsparteien über einen geordneten Rückzug der Regierung zu verhandeln.

Auch wenn die Situation komplett verfahren ist: Die Oppositionsparteien müssen an ihrer Rücktrittsforderung festhalten. Denn diese haben sich mittlerweile auch all die vielen Tausend Menschen zu eigen gemacht, die, jeweils aus ganz unterschiedlichen Gründen, täglich auf den Straßen ausharren. Der Chef der Timoschenko-Partei, Arsenij Jazenjuk, spricht von einem Mandat des Maidans für die Oppositionsparteien. Das kann aber nur eins heißen: Neuwahlen, und zwar sofort.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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5 Kommentare

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  • I
    int

    soweit ich weiß ist die jetzige regierung dort ja gewählt.

     

    inwiefern kann man denn plötzlich durch demos die ergebnisse von wahlen infrage stellen nur weil einem diese nicht gefallen ?

  • ''Denn die Regierung Janukowitsch ist planlos und verdient kein Vertrauen.''

     

    Gemessen an diesem Kriterium müssten so ziemlich alle Regierungen der EU (die Brüsseler Kommissare ohnehin) zurücktreten. Planlos war das Durchwursteln seit Ausbruch der Finanzkrise, die offensichtliche Unfähigkeit das marode Bankensystem zu reformieren und die Schuldenspirale zu stoppen, das peinlich-verschämte Herunterspielen der NSA-Bespitzelung.

     

    Vielleicht sollte die EU da mal mit gutem Beispiel vorangehen. In Spanien, Italien, Portugal und Griechenland vergeht keine Woche ohne Demos von Tausenden verarmter, verzweifelter Bürger. Wenn die Regierungen dieser Länder zurücktreten, hätte man die moralische Autorität, der Kiewer Regierung Ratschläge zu geben.

    • KD
      Kurt David
      @Benz:

      Dieser Benz hat (mindestens) einen Stern verdient!

  • A
    Arne

    Wenn Planlosigkeit, Proteste und Widersprüchlichkeit Kriterien für Neuwahlen sein sollen, dann wüsste ich so auf Anhieb kaum eine Regierung, die nicht sofort zurücktreten sollte. In der BRD könnte sue dann am besten schon zurücktreten, bevor sie überhaupt im Amt ist.

    Mich würde mehr interessieren, welche Pläne denn in den Oppositionsparteien existieren, eine Situation zu vermeiden, wie sie sich gerade in der Ukraine abspielt. Offenbar sind parlamentarische Demokratien nach den westeuropäischen Muster dort nicht geeignet, Zufriedenheit herzustellen. Gibt es da eine Partei, die eine wirklich demokratische Räterepublik z.B. will oder die andere Pläne hat, die offenbar völlig gegensätzlichen Vorstellungen der unterschiedlichen Regionen in der Ukraine zu befrieden? Afaik wil niemand in der Ostukraine auch nur ansatzweise, dass jemand aus dem früheren Timoschenko-Regime wieder an die Macht kommt. Janukowitsch ist demokratisch gewählt worden aufgrund der klaren Mehrheitsverhältnisse in der Ostukraine.

    Es ist albern, Neuwahlen zu fordern, die nichts ändern. Neuwahlen zu fordern ist genauso planlos wie die Kommentatorin es Janukowitsch vorwirft zu sein.

    Man kann nicht überall in allen Staaten, in denen EU-Kapital (sprich meistens deutsches Kapital) die Menschen aufhetzt, sofort unreflektiert dauernd die bisherigen Machthaber absetzten. Die BRD (West) leidet heute noch darunter, dass dies schon 1989 funktionierte. (Von den Leiden der ostdeutschen Bevölkerung deswegen ganz zu schweigen.)

  • Und was wird mit Denen, die Janukowitsch die Stimmenmehrheit der Ukraine verliehen haben? Das sind nicht nur Tausende, dass sind Millionen. Grund: Sie mussten bereits bitter erfahren, dass die Orangenen korrupt sind und das die EU leere Versprechen macht. Hoffentlich gibt es in der Opposition auch Leute die nicht nur am Rande eines Bürgerkrieges lavieren wollen. Tolle Demokraten...