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Kommentar Opposition im BundestagJeder ist sich selbst am nächsten

Kommentar von Ralph Bollmann

SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier übt sich als Oppositionsführer. Doch ein kraftvoller Anführer einer rot-rot-grünen Koalition im Wartestand ist er deshalb noch nicht.

Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden. Guido Westerwelle und Frank-Walter Steinmeier haben die Rollen getauscht. Der bisherige Oppositionsführer, der im Bundestag stets die schärfsten Reden gegen die Kanzlerin hielt, gibt nun den besonnenen Außenminister an Angela Merkels Seite. Steinmeier, der diese Rolle vier Jahre lang verkörperte, muss nun den Angriffslustigen geben. Beide sind erkennbar noch am Üben.

Bei Steinmeier hat es schon ganz gut geklappt am Dienstag im Bundestag. Für ihn es auch einfacher, weil er nur im Wahlkampfmodus bleiben muss. Als er nach Merkels verhaltener Rede losröhrte, mochte manch ein Sozialdemokrat bereits denken: Endlich wieder Leben in der Bude, endlich wieder eine richtige Opposition. In die eigenen Reihen hinein war Steinmeiers Auftritt immens wichtig, vor dem SPD-Parteitag am Wochenende.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.

Der kraftvolle Anführer einer rot-rot-grünen Koalition im Wartestand, die das zerstrittene schwarz-gelbe Bündnis alsbald ablösen könnte, wird Steinmeier deshalb allerdings noch nicht. Wo immer er die neue Regierung der sozialen Kälte zieh, provozierte er damit nur Zwischenrufe bei der Linkspartei, die den neoliberalen Luftzug doch eher aus Steinmeiers Agenda strömen sah. Auch die Grünen wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten. Während die meisten von ihnen dem SPD-Mann lau applaudierten, saß Fraktionschef Jürgen Trittin mit verschränkten Armen da.

Dabei war Steinmeiers Methode, die Schuldenmacherei der neuen Regierung aus der Mitte heraus anzugreifen, für die eigene Klientel nicht verkehrt. In der Opposition ist sich jede Partei selbst am nächsten, das gilt auch für Grüne und Linke.

Rot-grünes Projekt, rot-rote Abneigung: Derlei Emotionalisierung hat der SPD mehr geschadet als genützt. Neue Konstellationen werden, wenn überhaupt, als kühle Zweckbündnisse entstehen. Das immerhin kann Steinmeier von Merkel lernen.

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3 Kommentare

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  • A
    Amos

    Von Nutznießern des Kapitalismus (das sind unsere

    Parteien) kann man wenig erwarten. Siehe Schröder-,

    das war doch kein Sozial- Demokrat mehr. Wäre die SPD jetzt wieder in der Koalition, hätten sie sich doch als "Armutsschaffer" qualifiziert. Gut dass noch einige im Volk denken. Warum ist man eigentlich so gegen die Linke? Hat man angst, dass

    dann die Spenden ausbleiben oder die Beraterpöstchen

    verloren gehen? Was die Linken versprechen ist sowieso nicht alles durchführbar-, aber die "alten

    Parteien" treten ja auf der Stelle.

  • S
    Saby

    Die SPD versagt als Opposition ebenso kläglich wie zuvor als Regierungspartei – selbst wo sie recht hat, glaubt man ihr nicht mehr, dass sie es tatsächlich ernst meint.

    Die einzige echte Opposition, die ich erkennen kann, ist die der LINKEN. Aber offenbar sind sich die Medien darüber einig, Lafontaines wohlfundierte Rede

    http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1305289360

    totzuschweigen. Warum wohl? Naa?

  • P
    pekerst

    "Steinmeier als Oppositionsführer? Anführer einer rot-rot-grünen Koalition im Wartestand ist noch nicht, urteilt Ralph Bollmann.>" Was ist das für eine Kommentar-Ankündigung? Sparmaßnahme?