piwik no script img

Kommentar Openleaks contra WikileaksDer Krieg der guten Absichten

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Die Schlammschlacht der Leaks-Websites klärt auch die Sicht auf die wesentlichen Dinge: Die Technik muss sicher sein und nur wenige Menschen dürfen sich damit befassen.

S treit im Lager der Leaker, Kopfschütteln bei allen Beobachtern. Wikileaks und Openleaks bauen sich beide derzeit technisch neu auf, niemand kann Dokumente bei ihnen hochladen. Es gäbe also Arbeit genug. Trotzdem haben sie nichts besseres zu tun, als sich öffentlich zu demontieren.

Das zumindest ist der Eindruck, der in der Öffentlichkeit entsteht. Dass bei beiden weiter an der Sache gearbeitet wird, spielt dabei für das Bild nach außen keine Rolle.

Für die taz als Medienpartner von Openleaks ergeben sich daraus direkte Fragen, denn wir müssen potentiellen Whistleblowern begründen, warum und ab wann wir gerade diese Methode nutzen.

Bild: taz
REINER METZGER

ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Openleaks will einige Probleme des alten Wikileaks beheben: Es entscheidet nicht der Betreiber der Whistleblower-Plattform, wann welche Dokumente von wem veröffentlicht werden. Das entscheidet der Tippgeber. Dann sorgt die Software dafür, dass die Dokumente in einer sicheren Form an das ausgewählte Medium weitergegeben werden. Dort gibt es eine geprüfte Infrastruktur und Zugang nur für eingeweihte und geschulte Mitarbeiter um die Gefahr von Sicherheitslücken so weit wie möglich zu minimieren.

Außerdem überprüft so nicht ein Kreis von Freiwilligen rund um das Leak-Portal die Dokumente, sondern die Medien selbst - und die stehen dann rechtlich wie auch mit ihrem guten Namen dafür ein, dass sie niemanden gefährden und nur ethisch wie legal vertretbare Dinge veröffentlichen.

Klingt gut und ist auch besser, als alles was sonst an leak-Struktur im Lande zur Verfügung steht. Kann man jedoch als Tippgeber wie auch als Medium Wikileaks oder Openleaks noch trauen? Nach dem Streit mit schmutzigen Details und Widersprüchen in aller Öffentlichkeit? Schön ist so ein Streit wahrlich nicht, weil er der Sache des Leakens schadet.

Aber er ändert nichts am Sinn von neuen Wegen, der Öffentlichkeit vertrauliche Dokumente zukommen zu lassen. Die Menge an hochgeladenen Dokumenten bei solchen Websites zeigt auch das Bedürfnis und den Willen der Tippgeber. Viele geben inzwischen dem Internet den Vorzug vor dem klassischen, ebenfalls mit Gefahren verbundenen Postweg. Und manche Dokumente lassen sich mit vertretbarem Aufwand auch nur in digitaler Form weitergeben.

Die Schlammschlacht der Leaks-Websites klärt paradoxerweise die Sicht auf die wesentlichen Dinge bei der Sache: Die Technik muss sicher sein, der Kreis der damit befassten Menschen möglichst überschaubar. Denn auch weniger ausdrucksstarke Persönlichkeiten als die Sprecher von Open- und Wikileaks begehen Fehler.

Bei zurückhaltenden Menschen und in einem weniger umkämpften Feld werden die Fehler vielleicht nicht über die Medien diskutiert, bleiben aber Fehler. Wenn es glaubhaft gemacht werden kann, dass die Kanäle des Leakens sicher sind, dann wird es funktionieren. Hier wird Offenheit helfen. Bevor die Technik an den Start geht, muss sie also nachvollziehbar geprüft werden.

Niemals wird ein Whistleblower hundert Prozent risikofrei Dokumente veröffentlichen können. Aber es geht darum, das Risiko zu minimieren. Openleaks und Wikileaks in dem Zusammenhang schon zu verdammen, dazu ist es zu früh. Denn nicht ihre Persönlichkeiten werden entscheidend sein für die Sache, sondern ihre Technik, ihre Erfahrung und wie sie das umsetzen. Daran gilt es weiter zu arbeiten und nicht vorschnell ein hoffentlich wichtiges neues Werkzeug des Journalismus zu beerdigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • HH
    H.F.aus H.

    Haben Sie Ihre Postion zu OpenLeaks bereits überdacht?

    Oder wollen Sie sich in das Fahrwasser eines entlarvten Intriganten begeben.

    Domscheit-Berg ist Illoyal gegenüber vorherigen Partnern und nicht vertrauenswürdig.

    Sein Verhalten ist durchgehend durch "Emotionales Fehlverhalten" gekennzeichnet.

    Sie haben in der "vorhergehenden Zeit" WikiLeaks erheblich unterstützt.

    Dafür meinen Dank an dieser Stelle.

    Setzen Sie bitte auch weiterhin auf WL.

    Lassen Sie sich bitte nicht von dieser gestreuten Intrige beeinflussen.

     

    MfG

     

    H.F. aus H.

  • GA
    gute Absichten

    Die Geschichten und angeblichen Aussagen von Domscheit-Berg und Assange in der Presse ändern sich ständig so wie bei "stille Post". Daran erkennt man den Desinformationismus der Presse.

     

    Globaleaks gibt es nach dem Streit auch noch als Planung. Vielleicht ist dessen Planer schlauer.

    Remixer-Systeme kamen evtl mit PGP schon vor 25-30 Jahren auf. Für Emails und vielleicht auch Usenet.

    Die Sicherheit ist unter gewissen Voraussetzungen garantiert. Diese müssen aber bekannt sein. Nicht jedes Sicherheitssystem ist für jede Aufgabe geeignet.

     

    Für 90% aller Strikes braucht man keine Dokumente sondern nur Informationen. Wie wäre es, mit Radio anzufangen als gleich TV machen zu wollen ? Also 'ziemlich sichere' Systeme wo man nur Infos eingeben kann, anstatt den (m.E. falschen) Focus auf komplette gigantisch große Dokumente zu legen.

    Schon Schröder-Trittin unter rot-grün und Neuer Markt hätten vor 10 Jahren Whistleblowing und Korruptionsmeldestellen usw. etablieren müssen. Natürlich in bewiesen sicher. Aber schon der Internet-Ausbau wurde aktiv bis heute zum Monopolistenschutz verhindert.

    Eine Anfrage beim DAX-Unternehmen ob es seine Grundstücke nach anderen Regeln bilanziert als die anderen 29 DAX-Unternehmen und die Sache ist geritzt. Dafür braucht man keine geheimen Dokumente.

     

    Sowas kann man transparent konstruktiv organisieren. Die Theorien gibts seit 20-30 Jahren im Bruce Schneier Buch. Javascript und sogar Handies haben inzwischen hinreichende Rechenpower um nicht dem Server trauen zu müssen.

     

    Die Leute wollen reden und Unrecht melden. Aber keiner gibt ihnen die Möglichkeit, das anonym und schikanefrei zu tun.

     

    Lurchis (Salamander) sind wohl so faul, das ihnen die Mücken erst ins Maul fliegen müssen. Also sterben sie aus. Für Libellen und die FDP gilt ähnliches. Früher mal relevant und groß und bald egal. Die Presse berichtet nur das, was die Agentur meldet.

    Sowas wie Wikipedia aber in gut für News und die Zeitungen könnten einpacken. Die Motivation investigativer Berichterstattung ist so hoch wie die zur Kritik am Topmanagement der eigenen Firma oder Partei: Davon hat man nur Ärger. Also ist man still und schaut dem Boot beim Sinken zu.

  • S
    Susanne

    Neue Wege der Veröffentlichung von Leaks? Wohl kaum oder hat jemand cryptome vergessen?