Entschlüsselung der Wikileaks-Depechen: Rächer oder Rechercheur?
Geheime Wikileaks Depechen kursieren im Netz. Der britische Reporter David Leigh soll das Passwort veröffentlicht haben, mit dem sie entschlüsselt werden können.

David Leigh soll Passwörter veröffentlicht haben, die Zugang zum Wikileaks-Archiv erlauben. Bild: dpa
Der britische investigative Reporter David Leigh soll in seinem Buch Passwörter veröffentlicht haben, die Zugang zum Wikileaks-Archiv mit mehr als 250.000 unbearbeiteten US-Diplomatendepeschen erlauben, darin enthalten auch die Namen von Informanten.
Leigh hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Das Verhältnis zwischen Leigh und Wikileaks ist seit Erscheinen des Buchs "Wikileaks: Inside Julian Assanges War on Secrecy" im Februar getrübt. Leigh leitete das Guardian-Team, das in Großbritannien exklusiven Zugang zu den Depeschen hatte. Wegen des Buchs kündigte Wikileaks die Zusammenarbeit mit dem Guardian auf und wechselte zu Murdochs Times.
Der 64-jährige Leigh ist seit 2006 Professor für Journalismus an der City University London. Er stammt aus Nottingham, besuchte dort die High School. Seinen Abschluss machte er 1968 auf dem Kings College in Cambridge, Fachbereich Forschung. Er arbeitete für den Scotsman, die Times und die Washington Post. 1980 wurde er investigativer Reporter beim Observer und später beim Guardian. In dem Buch "The Wilson Plot" enthüllte er 1988, wie die britischen Sicherheitskräfte in den siebziger Jahren versuchten, Harold Wilsons Labour-Regierung zu destabilisieren.
Leighs Fernsehdokumentation "Jonathan of Arabia" über Korruption führte 1995 zu einer Gefängnisstrafe für den ehemaligen Tory-Verteidigungsminister Jonathan Aitken. Außerdem wies Leigh nach, dass die Rüstungsfirma BAE Systems massiv Schmiergelder zahlte, um an Aufträge zu kommen. Dafür erhielt er 2007 den Paul-Foot-Preis, eine Auszeichnung für investigativen Journalismus.
Vor Kurzem tauchte ein älterer Guardian-Artikel auf, in dem Leigh zugab, das Telefon eines leitenden Angestellten bei BAE Systems angezapft zu haben. Die Polizei ermittelt gegen ihn.
Leser*innenkommentare
Wolfgang Bieber
Gast
Transparenz beruht auf Vertrauen. Dieses Vertrauen haben die handelnden Personen hinter Wikileaks verbraucht. Es gehört also doch hinterfragt, in wessen Hände man seine Informationen legt:
http://bit.ly/qqOdy4
Susi Sorglos
Gast
»Die Angeschmierten sind die Quellen, die sich geschützt wähnten.« - So oder so ähnlich argumentiert auch die Naiv-Presse und erweckt den Eindruck, daß Wikileaks für potentielle Whistleblower unsicher wäre. Diese »angeschmierten Quellen« sind jedoch die weltweiten Zuträger der US-Administration. Die Cables waren ca. einer Million Amerikaner zugänglich, und bei einer so großen Zahl von Mitwissern ist eine undichte Stelle sehr wahrscheinlich. Es war also die US-Administration, die ihre Quellen schon in den Telegrammen hätte unkenntlich machen sollen.
Der Witz an der Sache ist, daß Wikileaks die Cables den Pressepartnern übergab, um vor Veröffentlichung die US-Quellen zu schützen. Daß nun ausgerechnet ein Vertreter der unverzichtbaren Qualitätspresse das Paßwort ausposaunte, dürfte dem Ansehen der Presse mehr schaden als dem Ansehen von Wikileaks. Der Reporter David Leigh ist in meinen Augen weder Rächer noch Rechercheur, sondern einfach nur geldgeil. Er wollte durch das Buch auf seine alten Tage noch mal richtig Kasse machen...
Karel
Gast
Die erste wirklich gute Nachricht seit Tagen..
Während es mir um das Ansehen von Wikileaks ein wenig leid tut, kann ich für die Informanten des US- Regimes nur wenig Mitleid empfinden. Jeder der Informationen an den Foltergeheimdienst CIA andere US Regimeorganisationen weiterreicht sollte mit Recht Angst haben. Vielen dieser Informanten klebt Blut an den Händen, und nicht wenig... sie geben Informationen über sog. "targets", also Zielen für US Raketen die u.a. ganze Familien auslöschen, weiter. Sie nehmen durch Ihre Informationen Teil an den Vorbereitungen von Entführungen und Folterungen von Menschen die auf den Todeslisten des US-Regimes stehen. Es ist gut, dass die Namen dieser Subjekte endlich öffentlich werden..
mizch
Gast
Es ist klar: die Botschafts-Depeschen kursieren im Netz (im Rahmen einer Datei, bei der nicht bekannt war, dass sie darin sind), und das Passwort wurde vom Guardian-Reporter im Buch veröffentlicht - vermutlich, ohne dass der Reporter wusste, dass das Passwort unbegrenzt gültig war und was alles damit entschlüsselt werden kann.
So weit, so schlecht. Die Angeschmierten sind die Quellen, die sich geschützt wähnten. Die Verantwortlichen sind alle die, die mit dem Material zu tun hatten, Domscheit-Berg und Assange inklusive. Sie habe das in sie gesetzte Vertauen nicht erfüllt und die Folgen sind möglicherweise tragisch.
Nur: Warum redet die taz um die Fakten herum und präsentiert stattdessen die Verdienste des Guardian-Journalisten. Die mögen noch so riesig sein: Er ist Teil einer üblen Story, die viele traurige Beteiligte hat, die alle ein - jeweils mäßiges - Buch geschrieben und damit abgesahnt haben, aber auch alle in ihrer Egomanie versagt haben.