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Kommentar Opel in BochumArbeitslose kaufen keine Neuwagen

Kommentar von Andreas Wyputta

In Europa gibt es weniger Autokäufer – ein Umstand der auch andere Autobauer bedroht. Opels Niedergang liegt aber vor allem an Managementfehlern.

D er Niedergang des Autobauers Opel basiert zunächst auf einer langen Kette von Managementfehlern. Zuerst brach nach massiver Lohn- und Stückkostendrückerei bei Beschäftigten und Zulieferern die Qualität ein. Dann mangelte es dem Hersteller schlicht an begehrten Modellen. Nur mit dem ökologisch fragwürdigen, beim Publikum aber beliebten Geländewagen Frontera hatte Opel bis 2003 die Nase vorn. Danach flog der Wagen aus dem Programm – über Jahre ersatzlos.

Zudem aber ist der Autobauer ein Opfer der globalen Strategie seiner eigenen US-Konzernmutter General Motors (GM): Zwar scheint die Fahrzeugqualität mittlerweile wieder zu stimmen, zwar hat Opel mit dem Mini-SUV Mokka wieder einen Renner im Programm, auf den Käufer ein halbes Jahr warten müssen – produziert wird der Wagen aber in Südkorea.

Den europäischen Opel-Werken jedoch fehlen aufgrund des Verbots der Detroiter GM-Zentrale, Autos in nennenswerter Zahl auch außerhalb Europas verkaufen zu dürfen, wichtige Märkte wie China. Dort setzt GM auf andere Konzernmarken wie etwa Chevrolet. Doch neue Märkte wären bitter nötig, um der Absatzkatastrophe vor allem in Südeuropa zu trotzen: In Frankreich ist der Autoverkauf im September um fast 18, in Italien um mehr als 25 und in Spanien sogar um dramatische 36 Prozent eingebrochen.

DER AUTOR

Andreas Wyputta ist Nordrhein-Westfalen-Korrespondent der taz.

Bedrohlich ist das nicht nur für Opel, wo der Absatz um über 16 Prozent abstürzte, sondern für alle Massenhersteller preiswerter Klein- und Mittelklassewagen: Renault verkaufte fast 30 Prozent weniger Autos, Fiat fast 20, Peugeot/Citroen fast zehn Prozent. Ford ist schon einen Schritt weiter: Dort ist die Schließung von drei Werken mit über 5.000 Beschäftigten in Belgien und Großbritannien bereits beschlossene Sache.

Die ersten Krisenopfer

Grund für die Krise der europäischen Autoindustrie insgesamt ist die Austeritätspolitik, mit der die deutsche Bundesregierung die Krisenstaaten Südeuropas nach der Finanz- und Schuldenkrise auf Kurs bringen will. Denn die stützt zwar die Vermögen der Besitzenden, stürzt aber Millionen ArbeitnehmerInnen in Armut: Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen kaufen keine Neuwagen. Die Bochumer Opel-FacharbeiterInnen sind damit die ersten wirklichen Opfer der Eurokrise in Deutschland.

Den Beschäftigten in der Bundesrepublik, die wie von der Bundesregierung gewünscht glaubten, die Folgen der europäischen Austeritätspolitik bekämen nur andere zu spüren, sollte das eine Warnung sein. Opel ist nicht allein: Schon heute melden immer mehr Firmen wie der Autozulieferer Bosch oder der Stahlhersteller ThyssenKrupp Kurzarbeit an. Europas Wirtschaftskrise kommt in der Bundesrepublik an.

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12 Kommentare

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  • R
    Rassismus

    Die ersten "richtigen Opfer der Krise in Deutschland" sind ja wohl die Menschen, die nach Nordeuropa kommen müssen, um zu arbeiten, meist unterbezahlt, oft genug überhaupt nicht, mit Wuchermieten abgesaugt werden und falls sie es dann doch mal schaffen sollten, 12 Monate Asozialabgaben zu zahlen und dann in Hartz4 fallen, dann genauso billig arbeiten müssen wie in Südeuropa.

    Und vor den Opelpopeln kommen erst mal die ganzen Leute, die aus dem Land der toten Augen abhauen wollen und seit Jahren keine Arbeit mehr im Süden finden. So genommen sind sie bereits Opfer der europäischen Wiedervereiterung seit über 20 Jahren.

  • VT
    VW Taliban

    Deshalb muß es das Ziel fortschrittlicher Antipolitik sein, die Krise derart zu verschärfen bis sich überhaupt niemand mehr Autos leisten kann.

    Die sollen Bike-Cars bauen und alle anderen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verbieten und selbst auf Schienen kann man mit Pedalen anstatt mit Strom fahren. Das will nur niemand von der Dekadenz, lieber Reichtum für sich selbst auf Kosten des Hungers im Rest der Welt.

  • A
    Abwracken

    Die Folgen der Abwrackprämie?

     

    Freie Marktwirtschaft, na toll.

    "Den europäischen Opel-Werken jedoch fehlen aufgrund des Verbots der Detroiter GM-Zentrale, Autos in nennenswerter Zahl auch außerhalb Europas verkaufen zu dürfen, wichtige Märkte wie China."

     

    Ein ähnliches Verbot gab es auch im 2WK man möge doch die amerikanische Industrie mit angeschlossenen Arbeitslager in Deutschland nicht bombadieren.

    Dann nennt man Auto nicht mehr Auto und schon ist das Verbot obsolet.

     

    Verständlich das Opel in bestimmten Bereichen erhalten bleibt. Die Knüppelverträge der Zulieferer die maximal 1 Promill (1 Teil auf 1 Million) Ausschuß liefern dürfen, können die Zulieferer in der USA nicht einhalten. China, auch taiwanesischer Sandguss genannt, erst recht nicht

     

    Als nächstes kommt die Aluminiumindustrie in Zugzwang.

  • S
    Stratege

    Wir sind Zeitzeugen eines welthistorischen Zusammenbruchs der OECD-Staaten, die sich auf eine Papiergeld- und Kreditblasen-Ökonomie eingestellt hat.

     

    Wenn Inder und Chinesen erst auf die Idee kommen, weltweit private Giro-Konten einzurichten - dann ist es mit dem neoliberalen Spuk in EU und USA vorbei.

     

    Ich will endlich die Rupie und den Renminbi auf dem Konto haben und meine Einkäufe direkt bei den Herstellern tätigen können.

     

    Kommen Rupie und Renminbi nicht zu mir, dann kommen eben wir da hin! :-))

     

    Wir sind ein Erdvolk!

  • S
    super

    "Autos kaufen keine Autos", Henry Ford.

     

    Aber die PolitikerInnen queer durch alle Parteien wollten ja schlauer sein als ein Erzkapitalist.

  • T
    Teermaschine

    ...und Autos kaufen keine Autos und taz-Journalisten leiden unter Amnesie. Schon länge vor der Bankenkrise diskutierte man Überkapazitäten in der europäischen Automobilindustrie. Und bei Einführung der "Abwrackprämie" war jedem klar, dass die notwendige Konsolidierung danach umso einschneidender würde, wenn erst mal die Flotte mit Subventionen erneuert wurde. Alles vergessen? - Egal, wir haben nun einmal die Allzweckwaffe "böse Austeritätspolitik" beschafft, jetzt wird gefälligst auch damit geschossen!

  • P
    peterpaul

    Was glauben denn die Leute, wo die Milliarden herkommen, die an die Banken und andere verschenkt werden?

    Natürlich wirkt sich das auf das gesamte Volksvermögen aus. Und immer mehr Menschen, natürlich hauptsächlich der unteren Schichten, werden dies spüren. Und eine verarmende Bevölkerung kauft insgesamt weniger. Viele können sich ja fast gar nichts mehr leisten. Schon gar nicht Autos. Wie soll ein Hartz4-ler mit ca. 360 Euro im Monat sich ein Auto kaufen. Da bleibt noch nicht einmal Geld für einen billigen Gebrauchten. Selbst der Unterhalt für ein bereits vorhandenes Fahrzeug wird praktisch unmöglich. Und wie viele Leute sind arbeitslos, Hartz-4 Bezieher, oder in ausbeuterischen Niedriglohnverhältnissen oder die die es aufgegeben haben sich beim Amt zu melden, weil sie eh nichts bekommen würden? Das sind bestimmt ca. 20 Millionen. Und nicht die 2-3 Mil. die die Statisk immer so angibt.

     

    Aber die Leute sind selber schuld. Wer SPD oder gar CDU und FDP wählt, bereitet der Armut und dem Demokratieabbau die Demokratische Grundlage. Diese Parteien arbeiten nur noch für die Reichen und Großkonzerne und Banken. Aber wenn der Basiskonsum wegbricht, werden das auch die Unternehmen spüren. Zwar zeitversetzt, aber es wird auch deren Ende sein. Und da hilft der Export irgendwann auch nicht mehr. Denn es ist ein globaler Trend. Wen unsere Politik so weitermacht, wird Deutschland sich immer mehr den 3. Welt Ländern angleichen.

  • R
    reblek

    Die Frage, ob das Auto, insbesondere der Pkw, als Synonym für "Mobilität" stehen darf bzw. sollte oder nicht vielmehr langfristig mehr oder weniger von diesem Erdball verschwinden sollte, wird angesichts der Formel "ArbeitArbeitArbeit" gar nicht mehr gestellt, oder?

  • N
    naseweiser

    "Grund für die Krise der europäischen Autoindustrie insgesamt ist die Austeritätspolitik, mit der die deutsche Bundesregierung ..."

    Och ja , Herr Wyputta , Sie sollten dazu sagen : die Alternative zu Kaputtsparen ist Staatsbankrott , und Gelddrucken ad libitum könnte letzteren nicht lange hinausschieben . Das wissen Sie auch selbst .

    Und dann sollten Sie noch erwähnen , dass vor 2009 schon die Kapazitätsauslastung der Autoindustrie in der Welt nicht berauschend war .

    Und schließlich fällt mir jedenfalls kein Grund ein , warum die perspektivlose Jugend zB Spaniens unbedingt noch Auto fahren sollte .

  • T
    TürlichTürlich

    Arbeitslose konnten bis vor kurzem in Spanien Immobilien erwerben - bzw. den Kredit für den Erwerb bekommen.

     

    Wie man sieht hilft das auch nicht wirklich weiter.

  • H
    Harro

    Wenn die Wahlen 2013 so enden, wie ich glaube, nämlich damit, dass es keine grundsätzlich anderen politischen Prioritäten oder ein wirtschaftspolitisches Umdenken geben wird, dann wird dieses Land immer stärker zu einem stagnierenden Giganten, der aber Jahr für Jahr Dynamik und Erfindungsgeist verliert. Nun mag diese Opel-Fabrik ihrem Schicksal nicht entgehen, zumal die Diskussion über Bochum inzwischen fast 10 oder sogar 15 Jahre alt ist. Wenn Deutschland nicht daran arbeitet, ein anderes wirtschaftspolitisches Grundgerüst zu schaffen, dann wird dieses Land aus der Stagnation in die Depression rutschen.

  • TL
    Tim Leuther

    Es gibt einfach massive Überkapazitäten im Markt. Das kann man drehen und wenden. Wenn sov iele Autos gakauft würden wie man herstellen kann, dann würde die taz was ganz anderes beklagen.