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Kommentar Olympia-BoykottDiplomatie statt Drohgebärden

Georg Blume
Kommentar von Georg Blume

Dass die EU einen Olympia-Boykott abgelehnt hat, ist das richtige Signal. Den Tibetern täte man damit auch keinen Gefallen.

Zu viele tote Tibeter, zu viele tote Chinesen. Im Zuge erregter Debatten um einen Olympia-Boykott ist die Tragik der Proteste in Tibet fast in Vergessenheit geraten. Doch der chinesischen Führung sind die Toten nicht gleichgültig.

Peking hat es in Lhasa bewusst vermieden, die Revolte blutig niederzuschlagen. Parteichef Hu Jintao und Premier Wen Jiabao haben aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt. Umso mehr laufen sie jetzt Gefahr, innerparteilich ins Visier der Hardliner zu geraten. Noch fragt keiner in China, ob die Sicherheitsbehörden die Geschäftsleute in Lhasa nicht doch besser hätten schützen können. Noch gehen Chinesen nicht auf Tibeter los.

Gut möglich aber, dass der nationalistische Aufstand der Tibeter weiter anhält. Und dann? Bleibt China bei den Verhaftungswellen und der Abriegelungsstrategie von Städten und Klöstern? Wie würde Peking auf Hungerstreiks oder Selbstverbrennungen reagieren? Chinas System fehlt es an Mechanismen zur Konfliktregelung. So fixiert sich die chinesische Führung dem Anschein nach auf den Dalai Lama. Doch das ist eine Ausweichstrategie. Durch die Verteuflung des tibetischen Oberhaupts radikalisiert China die Aufständigen noch. Doch von einer nationalen Revolte wagt Peking nicht zu sprechen - aus Angst, weitere Konflikte zu schüren. Denn Tibet ist nicht Chinas einziger Unruheherd. Auch andere Gruppen wie die Muslime in Xinjiang oder die verfolgte Falun-Gong-Sekte werden die vorolympische Zeit für Proteste nutzen.

China muss diese Herausforderung annehmen. Aber auch die Weltgemeinschaft muss lernen, mit China umzugehen. Bei aller notwendigen Kritik: Die Volksrepublik darf nicht als Pariastaat hingestellt werden. Denn in Peking regiert kein menschenverachtendes Willkürregime. Sondern eine Regierung, die gegen die Widersprüche ihres Systems kämpft. So hat Peking etwa gerade 800 Millionen Beschäftigten ein neues Vertragsrecht zugebilligt, das deren Rechte erheblich ausweitet.

Dass die EU einen Olympia-Boykott abgelehnt hat, ist daher das richtige Signal. Den Tibetern täte man damit auch keinen Gefallen. Gerade sie sind auf diejenigen angewiesen, die in Peking für ein moderates Vorgehen stehen. GEORG BLUME

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Georg Blume
Auslandskorrespondent Indien
Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.
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2 Kommentare

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  • AC
    Andreas Calmin

    Herr Blume so einen Schmarrn habe ich schon lang nicht gelesen. Entweder haben Sie schon zu gute Kontakte nach China und erhalten wie CCTV-Mitarbeiter für Ihre freie Meinungsäußerung einen gut ausgestellten Scheck (ist ja auch besser als verprügelt aus China zurückzukommen) oder Sie sind auch auf den Schein des Seins und der blühenden Landschaften in den Großstädten schon so reingefallen, daß Sie aus den schnellen Maglev der zum Airport fetzt, die völlig verarmten und verwahrlosten Menschen nicht mehr sehen können. Leider ist ja auch unsere heimische Presse dem Diktat der KP schon so sehr unterjocht, wie Ihr Beispiel zeigt, daß es mich wundern würde wenn diese meine Äußerungen überhaupt veröffentlicht werden und sich dann die Frage stellt wie lange. Jeder der Menschenrechtsverletzungen in China verschönigt oder leugnet wird Mittäter dieses neuen Holocausts.

  • HM
    Heinrich Müller

    Sehr geehrte Damen und Herren!

     

    Wie es scheint, bringt Herr Blume den chinesischen Diktatoren große Sympathie entgegen. "Kein menschenverachtendes Willkürregime" regiere in China. Ja, was denn dann? Gibt es Meinungsfreiheit, freie Wahlen oder irgendetwas, was eine Demokratie ausmacht? Respektieren die chinesischen Kommunisten die Menschenrechte in irgendeiner Form? Kann sein, dass 800 Millionen Beschäftigte mehr Lohn bekommen, solange sie brav funktionieren. Aber von welchem Niveau aus wird diese Erhöhung gerechnet? Herrn Blumes Argumentation erinnert in furchtbarer Weise an die Behauptung, dass man in der DDR recht gut leben konnte, wenn man schön den Mund hielt. Schon mal was von Folter in China gehört? Von Leuten, die brutal aus ihrer Heimat vertrieben werden? Massaker vom Platz des Himmlischen Friedens? Den mit Abstand meisten Hinrichtungen auf der ganzen Welt?

    Herr Blume sollte von seiner Wolke herunterkommen, auch wenn die Landung in der Wirklichkeit ihm vielleicht ein wenig hart vorkommt.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Heinrich Müller