Demonstration für Olympia-Team: Tibetische Fackel in München

Tibetische Sportler kämpfen weiter für ein eigenes Olympia-Team - auch wenn das IOC dies bislang ablehnt: Mit einem Freiheitsfackellauf, der am Wochenende in München ankam.

München war die einzige Deutschland-Station des alternativen tibetischen Fackellaufs. Bild: dpa

München taz Ein bisschen wie bei einem olympischen Happening geht es zu an diesem Samstag in München vor dem Rathaus. Viele bunte Fahnen sind zu sehen, gesungen wird, und ein junger, sportlicher Mann steht auf der Bühne. Gleich wird er mit einem Lächeln loslaufen, in der einen Hand die olympische Fackel. Doch der fröhliche Schein, den Namri Dagyab verbreitet, trügt. Die bunten Fahnen, die stolz im bayerischen Frühjahrsföhn knattern, sind buddhistische Gebetswimpel und Dutzende tibetischer Flaggen. Das Lied, das gesungen wird, ist die tibetische Hymne, ein Lied von Menschen, die sich als eigene Nation begreifen, aber deren Land seit 1951 von China besetzt ist. Die olympische Fackel ist nicht die echte, die vor einer Woche im Beisein und mit wohlwollendem Nicken der IOC-Offiziellen in Athen entfacht worden war. Es ist die Fackel des Team Tibet - das gar nicht zugelassen ist zu den Spielen in Peking. Und so wird auch Dagyab, der studierte Volkswirtschaftler und Amateur-Marathonläufer diese Fackel, seine Fackel, nur durch München tragen - als Symbol für ein Ende der Gewalt in der chinesischen Provinz Tibet und für ein eigenes tibetisches Olympia-Team.

Rund 30 Sportler - darunter Dagyab als einziger Deutschtibeter - hofften, dass das IOC ein eigenes tibetisches NOK anerkenne. Sie wollten nach Peking, um mitzumachen, beim Kampf um höher, schneller und weiter. Doch dieses Jahr wird es nichts mehr für die tibetischen Sportler aus aller Welt, darunter nicht nur Volkswirtschaftler, sondern auch Jura-Studentinnen und Marketing-Fachleute. "Tibet ist kein eigenständiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird. Deshalb können sich Sportler aus Tibet nur über das Chinesische Olympische Komitee qualifizieren", hatte das IOC im Dezember bekannt gegeben. Dabei gibt es andere aktuelle Präzedenzfälle. Seit 1996 darf ein Team Palästina an den Start gehen. Bei den Olympischen Spielen 2000 machten Sportler aus Osttimor mit, einem Inselstaat, der mit Indonesien um seine Souveränität streitet.

Doch Marathonläufer Dagyab - Bestzeit 3 Stunden, 17 Minuten - und die vielen Tibeter weltweit machen nach dem Nein erst recht weiter und haben einen eigenen Fackellauf gestartet. Die Botschaft, die der deutsch-tibetische Berliner den rund 1.000 Demonstranten in München zuruft, hat sich vom Sportlichen gelöst. "Der alternative Fackellauf ist gar nicht der alternative, sondern der echte!" Denn die tibetische Fackel, die in den kommenden Wochen genau wie die IOC-Fackel rund um die Welt getragen wird, verkörpere die olympische Idee vollkommen, sagt der 32-jährige Dagyab, dessen Eltern einst aus Tibet flüchten mussten und nach Deutschland kamen. "Fairness und Freiheit" sei die Idee dieses alternativen Fackellaufs, so wie einst von den Griechen begründet und später von Pierre de Coubertin wieder aufgegriffen.

Zumindest in Deutschland scheint diese Botschaft angekommen zu sein. Laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag der BamS sprechen sich 66 Prozent der Deutschen für eine kurzfristige Verlegung der Spiele aus, etwa nach Griechenland, sollte die Gewalt in Tibet weitergehen. Bundespräsident Horst Köhler hat seinen Besuch bei der Eröffnungsfeier bereits abgesagt, und auch die EU schließt einen Boykott der Spiele nicht mehr aus. "Wir sollten uns genau anschauen, wie sich Peking in den nächsten Wochen verhält - und dann über Boykottmaßnahmen entscheiden", sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner der BamS.

Während in München am Samstag demonstriert wurde, erreicht die offizielle olympische Fackel die Akropolis und wurde gestern - beschützt von 2.000 Polizisten - an das chinesische Organisationskomitee übergeben. Heute, am Montag, soll sie in Peking eintreffen. Aber auch die tibetische Fackel bekommt Aufmerksamkeit. Die Demonstration in München wurde von dem deutschen Sportler und Schauspieler Ralf Bauer moderiert, mit auf der Bühne sind auch Olympiasieger Dieter Baumann (siehe Interview) und die Grünen-Chefin Claudia Roth. Und auch auf den nächsten Stationen wird das Anliegen der Tibeter wohl prominent unterstützt. Übermorgen, am Mittwoch, ist die tibetische Fackel etwa in Edinburgh. Am 7. August soll die Flamme dann in Tibet sein. Und 2012, so hoffen Dagyab und seine Landsleute, soll sie samt eines Teams Tibet in London sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.