Kommentar Offshore-Windkraft: Eine gefährliche Machtprobe
Mit ihrem Versuch, die Lärmschutz-Anforderungen für Offshore-Windparks zu verhindern, setzt die Windkraftlobby ihre Akzeptanz aufs Spiel.
E s ist einer dieser Konflikte, in der beide Seiten irgendwie zu den „Guten“ gehören: auf der einen Seite die Betreiber und Planer großer Windparks im Meer, die möglichst schnell und günstig umweltfreundlichen Strom produzieren wollen. Auf der anderen Seite die Naturschützer, die sich um das Wohl der Tiere sorgen, die durch den gewaltigen Lärm der Baustellen im Meer akut bedroht sind.
Nachdem jahrelang diskutiert und gleichzeitig auf hoher See die ersten praktischen Erfahrungen gesammelt wurden, war schließlich ein Kompromiss in Sicht: Danach könnten die bereits genehmigten Anlagen wie bisher vorgesehen umgesetzt werden.
Für neue Windparks sollten hingegen ein besserer Schallschutz und eine stärkere zeitliche und räumliche Abstimmung der Bauprojekte dafür sorgen, die Lärmbelastung für die empfindlichen Schweinswale und andere Tiere in der Nordsee zu verringern. Eine Lösung, so schien es, mit der alle Seiten leben können.
Doch nun steht die Einigung wieder in Frage. Unter dem Druck der Offshore-Lobby sind die norddeutschen Länder, allen voran Hamburg, auf Distanz zum gemeinsam entwickelten Schallschutzkonzept gegangen. Dass die rot(-grün) regierten Länder dem CDU-Umweltminister Peter Altmaier kurz vor der Wahl keinen Erfolg mehr gönnen mögen, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Und der Bundesminister für Umwelt traut sich nicht, die Pläne im Alleingang umzusetzen. Ob und wann sie nun in Kraft treten, ist darum offen.
Für die Offshore-Industrie ist diese Machtprobe ein gefährliches Spiel. Die teure Technik ist auf Subventionen angewiesen – und damit auf breite öffentliche Unterstützung. Durch technische Probleme, etwa die fehlende Netzanbindung für einen fertigen Windpark, und durch die steigenden Kosten lässt diese Akzeptanz derzeit ohnehin schon nach. Mit ihrem Kampf gegen wirksame Schallschutzmaßnahmen stößt die Industrie nun die gesammelten Umweltverbände und Teile der Politik vor den Kopf.
Selbst wenn die Branche mit ihrer Strategie zunächst Erfolg haben sollte und den Lärmschutz weiter abschwächen könnte, dürfte sich das als Pyrrhussieg erweisen. Im Gegenzug für die möglicherweise geringeren Kosten droht sie genau jene Verbündeten zu verlieren, die sie in Zukunft schmerzlich vermissen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau