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Kommentar Offizielle syrische OppositionÜberraschend vernünftig

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Hilfskorridore und Gefangenenfreilassung: Die Allianz hat mit ihren Forderungen klug reagiert. Offen bleibt, ob es bei den Gesprächen in Genf nützen wird.

In Istanbul: die Syrische Nationale Koalition Bild: dpa

D as größte syrische Oppositionsbündnis mit Sitz in Istanbul ist unter den Kämpfern gegen Assad im Land extrem umstritten. Doch jetzt hat es einen guten Job gemacht. Die von ihm gestellten Bedingungen sind richtig. Angesichts der Seuchengefahr und einer beginnenden Hungerkatastrophe in Syrien ist es mehr als dringend nötig, darauf zu pochen, dass Assad Korridore schafft. Humanitäre Hilfe muss endlich auch in den Gebieten seiner Gegner möglich sein.

Auch zu verlangen, dass die ungezählten politischen Gefangenen freigelassen werden, die das Assad-Regime kontinuierlich macht und in der Regel foltern lässt, ist zentral. Die Gefängnispolitik von Assad spielt in den westlichen Medien bislang eine viel zu geringe Rolle. Umso wichtiger, sie auf die internationale Themenagenda zu setzen.

Und schließlich hat die Opposition auch mit ihrer dritten Forderung recht, nämlich am Regimewechsel festzuhalten und sich damit dem Druck Russlands zu widersetzen. Sie würde auch jede Glaubwürdigkeit bei den AktivistInnen im Land verlieren, rückte sie davon ab, dass es ein neues Syrien nur mit einem neuen Machthaber geben kann.

Doch obgleich sich das in Istanbul angesiedelte Oppositionsbündnis nun überraschend klug verhalten hat und obgleich es alternativlos ist, Vertreter des Assad-Regimes und Oppositionelle im Rahmen einer Friedenskonferenz an einen Tisch zu bringen – es bleibt ein Problem.

Bislang hat es Assad glänzend verstanden, sich immer wieder als seriöser Staatsmann zu inszenieren. Stichwort Chemiewaffen. Sein Regime wird nur dann Zugeständnisse machen und Genf nicht nur als weitere Bühne nutzen, um das eigene Image aufzupolieren, wenn die internationale Gemeinschaft eine überzeugende Drohkulisse aufbaut. Anzeichen gibt es dafür noch keine. Leider.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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10 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @frau kappert

     

    1. Bitte, könnten Sie die Lesaerschaft aufklären, WIEVIELE PARTEIEN in der jetzigen syrischen Regierung beteiligt sind? Hinweis: Sogar mehr als zwei Opositionspartei (sogar die Kommunistische Partei, eigentlich ein Partner für TAZ).

     

    2. Bitte, könnten Sie die Leserschaft aufklären, welche demokratische politische Legitimierung die "Opposition" besitz? Bitte, meinen Sie die Kohle aus den sehr "demokratischen" Ölmonarchien und die neokolonialistischen Interessen von einigen Westmächten? Sehr passend zu TAZ.

     

    3. Nur eine kleine Nachricht aus Aleppo, gestern. Die so "demokratische" Opposition hat gestern einen verwurdeten Regierungssoldaten in einem Krankenhaus geköpft. Später hat sich herausgestellt, dass um ein Missverständniss geht, und ein Mitglied einer anderen Terrorbande wurde geköpft. Jetzt wird die andere Bande den Kopf mit Waffengewalt zurückholen. Und Sie und TAZ stellen Medienfläche für solche "Freunde von Syrien" zur Verfügung. Bitte, kennen Sie den Spruch: "similis simili gaudet" (Ähnliche ziehen zu ähnlichen)? Bitte, denken Sie und die TAZ-Redaktion darüber nach.

  • T
    toddy

    wenig Überraschend ... Parteilich, unbewiesene Phrasen dreschend,Polemisierend, Unterstellend, Wunschdenkend, Uninformiert (die "Opposition" wurde vom Westen im Prinzip zu dieser "Entscheidung" gezwungen- ja erpresst) außerdem wurde bereits eine Alternative in Moskau diskutiert, oder wahlweise Manipulation statt Information, Hetze und (kriminell) und ganz verkappt zum Krieg gegen andere Staaten und Völker aufrufend ...

  • Sehr richtig, jetzt ist der Afghanistankrieg bald zu Ende, da wird es hoechste Zeit das Deutschland einen neuen Angriffskrieg anfaengt. Bomben! Bomben! Bomben!

     

    ... zum Glueck haben die Gruenen, der parlarmentarische Arm der TAZ-Kriegstreiber, ja momentan nichts zu sagen.

  • T
    toyak

    Zitat: " die das Assad-Regime kontinuierlich macht und in der Regel foltern lässt, ist zentral. Die Gefängnispolitik von Assad spielt in den westlichen Medien bislang eine viel zu geringe Rolle."

     

    Die Gefängnispolitik von syrischen Regierung hat sich von 2006 bis heute nicht geändert. Dass Frau Kappert dies als Vorwand für den Überfall auf Syrien durch Mörderbanden - finanziert von Saudi Arabien, Qatar, Türkei und verstärkt durch die CIA und andere staatliche Terrororganisationen - nimmt, ist nach ihren bisheringen Artikeln nicht verwunderlich. Ich frage mich, ob Frau Kappert überhaupt einmal in Syrien war.

     

    Als vor einigen Wochen bis zu 300 Personen von den friedfertigen "Rebellen" massakriert wurden, war doch nicht so schlimm, um ein verurteilendes Wort zu verlieren.

    Bezeichnend ist die Haltung der Medien über Syrien.

    Sämtliche selbsternannte Nahostexperten haben sich aber richtig grob verschätzt, als sie behaupteten, dass die Tage des Präsidenten Assad gezählt sind.

    Wer eine Revolution auf den Rücken von Minderheiten mit Gewalt durchzusetzen versucht, wird von TAZ und anderen Propagandablättern unterstützt. Als uns Videos von friedlichen Demos zugespielt wurden, hat man die Rufe fleißig nicht übersetzt, denn die Parolen passte nicht zu der behaupteten Friedfertigkeit.

    Das letzte Wort "Leider" sollte Sie Frau Kappert zum Nachdenken bringen, ob Ihre bisherige uneingeschränkte Unterstützung der sog. "Rebellen" doch noch einen Fehler war.

    Ich für mich habe bereits von Anfang an behauptet, dass der Sturz von Präsidenten Assad nicht so schnell stattfinden wird, wie uns die Medien anfangs weismachen wollten. Und im Gegensatz zu Ihnen Frau Kappert war ich an der Grenze und konnte sehen, wer dort sein Unwesen betreibt.

    Vielleicht werden Sie sich irgendwann doch noch wegen dieser Hetze entschuldigen.

    Hoffnung stirbt zuletzt.

  • es bleibt dabei, bei frau kappert reicht es noch nicht mal zu heißer luft. da kommt nicht mehr als ein lauwarmes lüftchen, meinung ohne fundament.

  • U
    Ursula

    Was Syrien braucht ist ein Kampf gegen die Steinzeitislamisten, um diese zu besiegen. Die Opposition hat doch längst ausgespielt- ich hoffe, dass Assad die Islamisten 2014 besiegen kann. Das syrische volk hat endlich Ruhe und Frieden verdient.

  • Die Forderungen mögen richtig sein - sie sollten aber keine Vorbedingung für Verhandlungen sein. Wer Vorbedingungen stellt, will nicht wirklich verhandeln.

    Zudem könnten "Hilfskorridore" auch schnell als strategische besetzte Zonen behandelt werden. Die "Flugverbotszonen" in Lybien machen deutlich, dass humanitäre Freifahrscheine schnell als militärische Persilscheine für eine umfangreiche Bombardierung des Landes missbraucht werden können.

    Warum kann nicht eine Forderung an alle Konfliktparteien sein, dass Hilfsorganisationen freien Zugang zu allen Landesteilen haben?

    Genauso müssen alle Parteien die politischen Gefangenen freilassen und müssen aufhören politisch unliebige Menschen zu töten.

    Zudem sollte ein demokratischer Regimewechsel stattfinden - dies betrifft dann aber auch die Gebiete unter der Kontrolle der Rebellen.

    Einseitige Vorbedingungen ohne sich selbst den gleichen Bedingungen zu unterwerfen zeigt nur, dass hier jemand Vorwände sucht, nicht verhandeln zu müssen.

    Es sollte ohne Vorbedingungen verhandelt werden und dann bei den Verhandlungen Druck auf die Parteien ausgeübt werden, dass sie gegenseitig diese Forderungen akzeptieren.

    • Ines Kappert , Autorin des Artikels, Gunda-Werner-Institut
      @Velofisch:

      ihr argument, dass hilfskorridore schnell instrumentalisierter sind, ist völlig richtig. trotzdem ist die forderung an das assad-regime richtig. widersprechen würde ich ihnen in sachen vorbedingungen. es wäre natürlich schön, wenn alle parteien einfach ordentlich ihre Interessen verhandeln würden und dann ein entsprechender Kompromiss dabei rauskäme. aber es geht um macht. und damit die offizielle syrische opposition nicht völlig unter die räder der differenzen zwischen usa und russland gerät, muss sie auf eine gewisse Unterstützung zählen können. und die muss sie im vorfeld heraushandeln. sonst ist das desaster vorprogrammiert.

      • @Ines Kappert:

        notiz am rande: es gibt eine übergangsregierung der pyd in den kurdischen gebieten syriens. davon haben sie, frau kappert natürlich keinen plan, weil sie sich nicht informieren, bevor sie ihre meinung kundtun. die pyd gehört zum oppositionsblock des ncc, einem bündnis der innersyrischen opposition. die haben auch eine eigene website, auf der sie massenhaft interessante artikel und stellungnahmen finden können.

      • @Ines Kappert:

        "und damit die offizielle syrische opposition nicht völlig unter die räder"

        das zeigt, dass sie von der syrischen politik 0 ahnung haben. was ist denn offizielle opposition? warum ist das die nationale koalition und keine andere oppositionsgruppe?