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Kommentar Obamas zweite AmtseinführungObama nutzt seine Chance

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Bei seiner zweiten Amtseinführung inszeniert sich Obama als progressiver Staatslenker und stellt die Republikaner in die Ecke der Realitätsverweigerer.

Obama bei der Amtseinführung: Heute mal befreit von den Nickligkeiten im Tagesgeschäft Bild: rtr

D ie Amtseinführung eines US-Präsidenten ist eine Demonstration von Patriotismus – und eine der Macht. In keinem anderen demokratischen Staat der Welt wird Macht so aufgeführt. Für einen Moment kann der einzuführende Präsident das Gefühl haben, mehr zu sein als derjenige, der dank guter Wahlkampfstrategie, ausreichend Fundraising und schwacher Gegner im November die Wahlen gewonnen hat.

Und er kann den Moment nutzen, um seine politische Agenda als völlig logische Weiterentwicklung US-amerikanischer Geschichte darzustellen, einzubetten in die Verfassung, die Werte, die Wesensart der USA.

Genau das hat Barack Obama getan – wenn auch nicht zum ersten Mal. Seine knapp zwanzigminütige Rede, durchsetzt von der Beschwörungsformel „We the people“, den ersten Worten der US-amerikanischen Verfassung, konzentrierte sich auf die Themen Freiheit und, vor allem, Gleichheit. Arm oder reich, Frau oder Mann, hetero- oder homosexuell, US-Amerikaner oder Einwanderer – die Aufhebung der Gegensatzpaare in ihrem Zugang zu Rechten und Wohlstand erklärte Obama zum Programm dessen, was er „gemeinsames Handeln“ nannte. Und das heißt bei Obama: Regierungspolitik, staatliches Handeln.

Bild: taz
Bernd Pickert

ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.

Die Einführungsrede war wirklich keine im luftleeren Raum: Obama weiß genau, was in den nächsten Monaten an innenpolitischen Kämpfen auf ihn zukommt. Wie im Wahlkampf mit Mitt Romney und den von der – sich ebenfalls auf die Verfassung berufenden – Tea Party getriebenen Republikanern ging es um die Rolle, die der Staat zu spielen habe bei der Verwirklichung des „amerikanischen Traums“ für alle.

Auf einer Stufe mit dem New Deal

Obama will Geld für Infrastruktur, Bildung und Soziales ausgeben, er will als fortschrittlicher Präsident in die Geschichte eingehen, dessen Errungenschaften mindestens auf einer Stufe mit Roosevelts New Deal gesehen werden, nicht als Sparkommissar.

Am 12. Februar, bei seiner Rede zur Lage der Nation vor beiden Kammern des Kongresses, wird genaueres zu hören sein. Den Tonfall hat Obama an diesem Montag vor dem Capitol gesetzt und die Republikaner (ohne sie freilich zu benennen) so deutlich in die Ecke der Realitätsverweigerer und Politkleingeister gestellt, wie es eine so feierliche Rede gerade noch zulässt.

Im Februar wird er Programme benennen, die er vom Kongress bewilligt bekommen will. Ab dem Moment ist dann Schluss mit Feierlichkeit. Ende Februar muss der Kongress der Erhöhung der Schuldengrenze zustimmen, kurz darauf müssen die Ende des Jahres nur verschobenen automatischen Ausgabenkürzungen verhindert werden. Beides verlangt Einigungen.

Obama hatte am Montag die Chance, seiner Position im pompösen Rahmen Nachdruck zu verleihen. Er hat sie genutzt. Ein paar Tage zumindest hält das.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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1 Kommentar

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  • SA
    Sorry aber Obama bringt nichts mehr

    Wenn Obama "We the people" zu seinen Themen sagt, dann hat das für sehr viele Amerikaner heute den gleichen Klang wie wenn Jürgen Trittin Multikulti "im Namen des Volkes" verkündet. Es klingt wie Hohn. Der Klang Obamas kommt selbst in der taz nicht ganz ehrlich an. Da kann man sich vorstellen wie es in den USA wirkt. Obama hat es nicht geschafft das nach dem knappen oder weniger als knappen Wahlsieg George Bush´s und der entsprechend reißerischen und übertriebenen, in Teilen hasserfüllten und propagandaähnlichen, Kampagne gegen diesen gespaltene Land irgendwie zu einen. Er bekommt in sich an Details seines Personals oder Bezugspersonen aus den radikalen 70ern aufhängenden Kampagnen die entsprechend heftige Reaktion der Republikaner zu spüren. Die halten ihn wirklich für einen sozialistischen Tyrannen. Egal ob er es ist oder nicht sie glauben es und er hat es nicht geschafft das Land zu versöhnen oder wenigstens zu beruhigen. Das kann erst der nächste Präsident schaffen, ob Demokrat oder Republikaner. Das Land radikalisiert sich immer mehr und zwar auf beiden Seiten. Das ist schlecht. Obama wird es nicht mehr schaffen das zu ändern. Europäische Linke mag das nicht interessieren aber es wäre auch sehr wichtig für ihre Zukunft. Die Radikalisierung findet außerdem in Europa auch statt. Nur ist die Medienlandschaft einseitiger und nicht in der Situation es auszudrücken. Ich erinnere nur an Sarrazin in Deutschland oder die Konservativendemos gerade in Frankreich (von 18% Le Pen die auf "echte" Franzosen bezogen wohl einiges über 20% sind und die Tatsache wieviele junge Wähler dabei sind gar nicht zu reden). Ohne gegenseitige Kompromisse und die Akzeptanz andere Meinung und Lebensentwürfe geht es nicht. In Europa geht es meist eine Zeit gut nur eine Schiene zu fahren wie z.B unter Adenauer und heute unter den Alt68ern aber dann kommt der krasse Umschwung. In den USA funktioniert es anders. Ich hoffe nicht auf Obama, ich hoffe auf den nächsten Präsidenten.