Kommentar Nobelpreis: Überflüssiger Mumpitz
Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist ein Preis, den die Welt nicht braucht – das hat das Auswahlkomitee mit seinen Entscheidungen leider zu oft bewiesen.
A lfred Nobel war ein vorausschauender Mann. Den von ihm gestifteten Preis sollten nur Menschen bekommen, die "im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben". Wirtschaftswissenschaftler schloss der Mäzen ausdrücklich aus. Er hielt Ökonomie für eine Pseudowissenschaft und "hasste" sie "von Herzen".
Dabei ahnte er noch nichts von den Weltwirtschaftskrisen, die nicht zuletzt durch die intellektuelle Vorarbeit marktradikaler Ökonomen angezettelt wurden. Sie dominieren die Chronik der 62 Ökonomen, die bislang den "Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank" erhielten. Ihre neoklassische Denkschule zeichnet sich durch Ignoranz, schlimmstenfalls eine Verachtung gegenüber der Lebenswirklichkeit aus, die sie in ihren Modellwelten zu beschreiben glaubt. Preisträger wie Friedrich Hayek, Milton Friedman und Gary Becker gehören zu den Propagandisten dieser Welt, in der es nur noch rücksichtslose Individuen, aber keine Solidarität mehr gibt. Über Jahrzehnte hat das Auswahlkomitee dieses Zerrbild mit "Nobelpreis"-Weihen ausgestattet, das unterm Strich zur gesellschaftlichen Regression geführt hat: entfesselte Finanzmärkte, Spekulationsblasen, Umweltzerstörung und globale wachsende Armut sind das Ergebnis dieser Denkschule.
Das Auswahlkomitee hat mit seinen Entscheidungen leider zu oft bewiesen, dass die Welt diesen Preis nicht braucht. Daran ändert auch Elinor Ostrom nichts, die als erste Frau den Preis erhalten hat. So wie Paul Krugman, Joseph Stiglitz und Amartya Sen dient auch sie nur als Feigenblatt in einer Bastion der Marktradikalen. Hoffnung gibt hingegen der Alternative Nobelpreis, der am Dienstag verliehen wird. Der "Right Livelihood Award" ehrt Menschen, die Lösungen für die dringendsten Probleme unserer Zeit finden und erfolgreich umsetzen. Ökonomen werden wieder einmal nicht darunter sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens