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Kommentar Neuwahl in GriechenlandDie Hoffnung bleibt

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Aus einer ausweglosen Situation – wie in Griechenland – das Beste machen zu wollen, ist besonders deutschen Linken äußerst fremd.

Syriza-Vorsitzender Alexis Tsipras: Auch weiterhin Hoffnungsträger für eine demokratische, undogmatische und proeuropäische Linke.​ Foto: AP

D er20. September wird wohl ein historisches Datum. So pathetisch es klingen mag: Dieser Tag dürfte wegweisend dafür sein, ob es für die Linke in Europa noch eine größere Perspektive gibt. Es liegt in der Hand der griechischen Bevölkerung: Bekommt Alexis Tsipras mit Syriza die Chance, weiterzuregieren?

Seit Amtsantritt hat die von Deutschland dominierte Eurogruppe alles unternommen, die Regierung Tsipras zu stürzen. Aus Angst, das Beispiel einer linken Regierung jenseits der Sozialdemokratie könnte ansteckend sein, setzten die anderen EU-Staaten mit aller Macht auf das Scheitern von Syriza. Letztlich ließen sie nur noch die Wahl zwischen Skylla und Charybdis: Unterwerfung unter das Diktat eines dritten Memorandums oder Grexit.

Dass die Entscheidung von Tsipras gegen den Grexit zu heftigen innerparteilichen Verwerfungen geführt hat, war angesichts der großen Heterogenität von Syriza leider zwangsläufig. Aber sie war trotzdem richtig. Denn anders als die abgespaltenen Drachmisten der „Linken Plattform“ und manche deutschen Salonlinken behaupten, wären die Folgen eines Ausstiegs aus dem Euro unter den gegebenen Bedingungen weitaus verheerender für die griechische Bevölkerung gewesen.

Es ist kein „Verrat“, sich einer mörderischen Erpressung zu beugen. Bei allen Widersprüchen: Die in ihrem Kern aus der eurokommunistischen Tradition stammende Syriza bleibt die Hoffnung für eine demokratische, undogmatische und proeuropäische Linke.

Aus einer ausweglosen Situation das Beste machen zu wollen, ist etwas, was besonders deutschen Linken äußerst fremd ist. Deswegen ist unter ihnen die Enttäuschung über Tsipras nun besonders groß. Aber auf ihre Solidarität konnte Syriza – wie auch Podemos – ohnehin nie wirklich bauen. Es ist doch so: Ein Bruch mit der Austeritätspolitik ist nur durchsetzbar, wenn es gelingt, die Verhältnisse in Deutschland zum Tanzen zu bringen. Doch dazu ist die deutsche Linke unfähig.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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9 Kommentare

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  • Die Hoffnung entsteht erneut wenn Alle gemeinsam gegen die Spardiktate aufstehen und es nicht einer Regierung überlassen.

  • Die Hoffnung bleibt - Letztlich ließen sie nur noch die Wahl zwischen Skylla und Charybdis:



    Na und, dieser heutige Odysseus wird ebenfalls die beiden Ungeheuer der Stasse von Messina umschiffen wie der antike Odysseus. Es gilt den gefrässigen geldgierigen Banken zu entkommen, die jemand zu Exportweltmeistern gemacht haben, wohlwissend, der Schuldner kann diese Importe nie bezahlen.



    Homer hat uns diese Geschichte nicht vergeblich aufgeschrieben. Von diesen zwei Ungeheuern an der schmalen Durchfahrt ist nur der Oberflächenstrom von Belang. Die Untiefe und die Höhle mit der gefräßigen Scilla und das andere Ungeheuer gegenüber, der Felsen Charybdis, die wasserstrudelde Göttin.



    Das sind die Wirbel vor denen die Kirke (Frau Lagarde vom IWF) gewarnt hatte.



    Es bleibt die Hoffnung für eine demokratische, undogmatische und proeuropäische Linke dem Vorbild des Odysseus zu folgen. Denn ein Bruch mit der Austeritätspolitik ist nur durchsetzbar, wenn es gelingt, die Verhältnisse in Deutschland zum Tanzen zu bringen.



    In Europa stehen 2016 / 2017 Wahlen an! Es liegt also am Volk, an uns!

  • "Wem das nicht passt, braucht ja nicht unterschreiben (und bekommt dann aber auch kein Geld)."

     

    Was dann wohl Erpressung wäre.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Ein etwas breiter Erpressungsbegriff finde ich.

      Demnach wäre es ja auch Erpressung, wenn der Bäcker sich weigert mir seine Brötchen auszuhändigen, nur weil ich die nicht bezahlen kann/möchte.

      • @Sowohlalsauch:

        Wieder falsch.

         

        Die Situation gleicht der, wenn ein Bäcker einem Verhungernden ein Brötchen nur dann gibt, wenn der Verhungernde sich mit Forderungen des Bäckers einverstanden erklärt, die zum Vorteil des Bäckers und zum Nachteil des Verhungernden sind und die der Verhungernde niemals akzeptieren würde, wenn er nicht auf das Brötchen existenziell angewiesen wäre.

  • Die Grünen und die SPD haben ja schon unter Schröder "das Beste draus gemacht": Hartz4, völkerrechtswidriger Angriffskrieg, Sozialabbau, Neoliberalisierung. Viel besser geht nicht mehr, deswegen versucht die Linke erst gar nicht, das zu toppen.

  • Betrifft: „Es ist kein „Verrat“, sich einer mörderischen Erpressung zu beugen“

     

    In unserer schnelllebigen Zeit ist oftmals schon vergessen, was kaum ein paar Monate oder Jahre zurückliegt. Deshalb nur mal zur Erinnerung: Diese „mörderische Erpressung“ besteht darin, dass Kredite, wie in den zugrundeliegenden Kreditverträgen vermerkt, an den vereinbarten Tagen samt Zinsen zurückzuzahlen sind. Wer Kreditverträge unterschreibt, hat sich daran zu halten. Wem das nicht passt, braucht ja nicht unterschreiben (und bekommt dann aber auch kein Geld).

     

    Die früheren Regierungen (zugegeben: nicht Syriza) haben ganz viele Kreditverträge unterschrieben. Das Land konnte von dem (geborgten!) Geld eine Zeitlang gut leben und die Griechen hatten sich daran gewöhnt. Das wird heute kaum noch erwähnt!

     

    Als Tsipras sich zur Wahl stellte, wusste er oder hätte wissen müssen, was dem Land bevorsteht. Niemand hat ihn gezwungen, sich wählen zu lassen!

    Aber statt von „Blut, Schweiß und Tränen“ zu sprechen (wie Churchill 1940), tat er, wie alle Populisten, zunächst so, als hätte er für komplizierte Probleme einfache Lösungen in der Tasche und noch dazu ein Füllhorn von Wohltaten fürs Volk. Für diese Hoffnungen wurde er gewählt!

     

    Eine andere Regierung hätte letzten Endes auch keinen besseren „Erfolg“ erzielt. Aber sie würde sich dafür nicht auch noch vom Volk feiern lassen!

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Falls es diese Kritik der deutschen Linken gab, wäre diese wohl auch tatsächlich mehr als angebracht. Zu Fragen ist, was hat der angeblich linke Tsipras unternommen?

    Wurde eine Vermögensabgabe und angemessene Besteuerung der Vermögenden umgesetzt oder auf den Weg gebracht? Was wurde gegen den Klientelismus unternommen, also gegen die, die ganz oben sitzen, seit 1830 keine Steuern zahlen – bis heute nicht. Gegenwärtig sind das rund 800 Familien. Sie besitzen oder kontrollieren mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. http://www.bpb.de/apuz/142833/politische-kultur-in-griechenland?p=all http://www.heute.de/interview-mit-heinz-richter-zur-griechenland-krise-eu-geld-fuer-hemmungslosen-konsum-ausgegeben-38939238.html

    „Aus einer ausweglosen Situation das Beste machen zu wollen, ist etwas, was besonders deutschen Linken äußerst fremd ist.“ Die Situation war nicht ausweglos, Herr Tsipras hätte nur liefern müssen!

    Nun ist also die angeblich ausweglose Situation daran schuld, dass die Vermögenden seit 1830 nicht angemessen besteuert werden in Griechenland, kein Steuerabkommen mit der Schweiz forciert wird und die Lagarde Liste mit den Steuerschuldnern nicht angemessen verfolgt werden. Klar doch, alles ausweglos, wie praktisch für die Vermögenden! Auch die Ablehnung der Institutionen hinsichtlich Unternehmensgewinne über 500.000 € jährlich mit einer Abgabe von 12% zu besteuern, kann nicht als Legitimation der angeblich linken Regierung in Griechenland dienen, hier nun überhaupt nichts mehr einzufordern oder umzusetzen. Kritik wäre wohl angebracht und die Anfrage der Linken bei Herrn Tsipras, wann denn mit einer Vermögensabgabe und angemessenen Besteuerung der Vermögenden zu rechnen ist in Griechenland?

    Soziale Gerechtigkeit wird nicht erreicht, indem mit den Steuern der mittleren & unteren Einkommensschichten aus Deutschland die Vermögen der 800 Reichsten in Griechenland weiterhin geschont werden.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @2097 (Profil gelöscht):

      Ihrer Schlussfolgerung ist aus meiner Sicht vorbehaltlos zuzustimmen. Mehr noch: die Erfahrung mit Syriza unter Tsipras hat mir aufgezeigt, daß die Existenz einer linken Regierung nicht zwangsläufig zu einer linken Politik führen muss. Für mich ist dies die größte Überraschung, um nicht zu sagen: Enttäuschung.

       

      Von daher sehe ich auch - anders als Herr Beucker - im 20. September KEIN historisches Datum für die Linke in Europa. Unabhängig vom Ausgang der Wahl werden die Dinge ihren bekannten Verlauf nehmen.