Kommentar Neues Gesetz Babyklappe: Meisterstück in Bürokratie
Das Familienministerium will das Recht auf Anonymität lockern. Aber man kann genausowenig ein bisschen anonym sein wie ein bisschen schwanger.
E ine eindeutige Rechtslage hat Familienministerin Kristina Schröder (CDU) mit dem Gesetz zur anonymen Geburt schaffen wollen. Aber herausgekommen ist – nach monatelangem Verhandeln – ein bürokratisches, lebensfernes Ungetüm.
Da sollen die verzweifelten Schwangeren, die nicht wollen, dass irgendjemand vom ungewollten Kind erfährt, eine Beratungsstelle aufsuchen – und sich ausweisen. Die Daten sollen in einem verschlossenen Briefumschlag 16 Jahre lang aufgehoben werden – damit die Kinder später erfahren können, wer ihre Mutter ist.
Dass dem Recht des Kindes auf Wissen um Abstammung mehr Raum gegeben werden soll, ist nachvollziehbar. Das aber geht zulasten der Mutter und der ihr zugesagten Anonymität. Die Hürden, die durch das neue Gesetz aufgebaut werden, scheinen noch höher zu sein als bisher.
ist taz-Redakteurin für Geschlechterpolitik.
Und: Welche zum Teil kopflose Frau sucht nach einer Schwangerschaftsberatungsstelle? Von der sie, gerät sie an eine konfessionelle Einrichtung, möglicherweise befürchten muss, umgestimmt zu werden?
Kristina Schröder will – wieder mal – allen Seiten gerecht werden, sie versucht Gegner von Babyklappen und anonymer Geburten entgegenzukommen und dabei die Befürworter nicht zu verprellen. Ähnlich ausgleichend hat die Familienministerin schon bei den Verhandlungen zum Betreuungsgeld und zur Familienpflegezeit agiert. Herausgekommen sind Kompromisse, mit denen niemand zufrieden ist.
Vollkommen abgeschafft werden sollen die Babyklappen trotzdem nicht. Es gebe Fälle, räumt die Ministerin ein, in denen Babyklappen besser helfen als irgendein Gesetz. Warum so vorsichtig? Kristina Schröder hätte durchaus ein Gesetz vorlegen können, das sich eindeutig auf die Seite verzweifelter Schwangerer stellt.
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