Kommentar Nahost-Gespräche: Blamage für die US-Regierung
Die dreiste Art, mit der die Regierung Netanjahu die Siedlungspolitik während Joe Bidens Besuch vorantrieb, ist eine Blamage für Joe Biden. Und auch für Barack Obama.
E s hat ja keiner wirklich geglaubt, dass bei den viermonatigen indirekten Nahost-Gesprächen, die die USA Israelis und Palästinensern aufzwingen wollten, irgendein greifbares Ergebnis herausgekommen wäre. Sie waren eher als Demonstration geplant, dass die US-Regierung ihre Maklerrolle in diesem Jahrhundertkonflikt noch nicht gänzlich an den Nagel gehängt hat. Solche Gespräche hätten überdies den Eindruck vermitteln sollen, dass Barack Obama den Prinzipien seiner Kairoer Rede nicht völlig den Rücken gekehrt hat. Nichts von alledem ist jetzt mehr möglich.
Die dreiste Art, in der die Regierung Benjamin Netanjahu mit der angekündigten Forcierung des Siedlungsbaus US-Vizepräsident Joe Biden bei dessen Besuch in Israel und vielleicht mehr noch Obama selbst brüskiert hat, sind eine regelrechte Blamage für die US-Regierung. Sollte diese nicht darauf reagieren und den Konflikt scheuen, um "Israel" nicht zum Thema bei den Kongresswahlen im Herbst zu machen, dann wäre der Gesichtsverlust für Obama in der arabischen und islamischen Welt kaum wieder wettzumachen. Dann dürften sich auch alle weiteren "Vermittlungsversuche" des US-Gesandten John Mitchell von selbst erledigen.
Der Regierung Netanjahu käme das nicht einmal ungelegen. Sie könnte weiter Tatsachen schaffen, die auch nur den Gedanken an ein zusammenhängendes Territorium für einen palästinensischen Staat als Traumbild erscheinen ließe. Die Absage der Nahost-Gespräche von Seiten der Palästinenser und der Arabischen Liga kann man als Zeichen ohnmächtiger Wut werten. Aber sie ist die einzig mögliche Reaktion, um die USA und auch Europa dazu zu bewegen, ihre Haltung gegenüber der desaströsen Politik dieser israelischen Regierung zu überdenken. Es geht durchaus darum, den nächsten Nahostkrieg zu vermeiden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Grüne Manöver vor dem Wechsel
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an