piwik no script img

Kommentar Nachfolge von Joachim GauckDie Inszenierung hat begonnen

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Politik hyperventiliert über einen Nachfolger des Bundespräsidenten. Jeder Kandidat muss das eigene Profil der Partei verkaufen.

Er hat noch gar nichts zu alldem gesagt: Joachim Gauck Foto: reuters

B undespräsident Joachim Gauck hat noch kein Sterbenswörtchen zu der Frage geäußert, ob er eine zweite Amtszeit anstrebt, da hyperventiliert die Politik schon über einen möglichen Nachfolger. Dabei stehen die Wahl und, noch wichtiger, das vorhergehende Procedere der Auswahl der Kandidaten in einem umgekehrten Verhältnis zur Bedeutung des Gewählten. Wer auch immer ab 2017 mit dem Autokennzeichen 0 – 1 herumkutschiert wird, sie oder er hat nahezu ausschließlich repräsentative Aufgaben.

Das Procedere dagegen verspricht eine ausgesprochen unterhaltsame und zugleich zähe Angelegenheit zu werden. Seit Gustav Heinemanns Wahl im Jahr 1969 durch die Stimmen von SPD und FDP gilt die Entscheidung über das formal höchste Amt im Staat als Weichenstellung für künftige Koalitionen.

Zugleich müssen die Parteien kurz vor einer Bundestagswahl peinlich genau darauf achten, bei der Auswahl ihrer Kandidaten das jeweils eigene Profil zu verkaufen. Dieser Widerspruch zwischen Bündnispolitik und Eigenwerbung lässt sich nicht so leicht auflösen, zumal die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung nicht eindeutig sind.

Diese Inszenierung hat begonnen. Die Linke verlangt ein rot-rot-grünes Bündnis für einen gemeinsamen Kandidaten, wohl wissend, dass sie dabei nur gewinnen kann. Einigte man sich auf eine Person, dann würde auch das totgesagte politische Bündnis wiederbelebt. Geht die Sache schief, dann kann man der SPD bittere Vorwürfe machen.

Die CDU bringt Bundestagspräsident Norbert Lammert in Stellung, der den Vorteil hätte, als liberalere Stimme auch von Sozialdemokraten wählbar zu sein. Die SPD macht ausnahmsweise einmal das Vernünftigste und sagt gar nichts, abwartend, mit welchen Optionen die anderen Parteien daherkommen.

Die Linke verlangt ein rot-rot-grünes Bündnis für einen gemeinsamen Kandidaten, wohl wissend, dass sie dabei nur gewinnen kann

Die Grünen halten sich in dem Wissen bedeckt, dass sie zusammen mit der Union eine Mehrheit bei der Wahl hätten und dies zugleich der Vorlauf für eine schwarz-grüne Koalition sein könnte – was aber auch viele potenzielle Wähler verschrecken würde.

So stehen uns noch viele Kandidatenkür-Wendungen bevor. Und hoffentlich wird sich dabei bald eine Erkenntnis durchsetzen: Frauen könnten nach elf männlichen Präsidenten mehr als nur gescheiterte Kandidatinnen sein.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Frauen könnten nach elf männlichen Präsidenten mehr als nur gescheiterte Kandidatinnen sein."

     

    Warum immer dieser Sexismus? Wichtig ist doch, dass die Person geeignet ist. Ihr Geschlecht sollte dabei keine Rolle spielen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Wichtig ist doch, dass die Person geeignet ist. Ihr Geschlecht sollte dabei keine Rolle spielen."

       

      Genau. Die bisherige BP-Statistik zeigt eindeutig, dass die Frauen ohnehin nicht für dieses Amt geeignet sind.

  • Dass wir in Deutschland die gleichen Exzesse einer wild gewordenen Besitzstands- und Erbbesitzfeudalherrschaftskaste erleben, wie in den USA, ist darauf zurück zu führen, dass in den USA die Plutocracy, als die dortige Geldherrschaftsdiktatur vorfinden, während in Deutschland die Geldherrschaftsdiktatur als Neue Soziale Marktwirtschaft gefeiert wird.

     

    „Die Wenigen, die das System verstehen, werden dermaßen an seinen Profiten interessiert oder so abhängig von seinen Vorzügen sein, daß aus ihren Reihen niemals eine Opposition hervorgehen wird. Die große Masse der Leute aber, geistig unfähig zu begreifen, wird seine Last ohne Murren tragen, vielleicht sogar ohne je Verdacht zu schöpfen, dass das System ihnen feindlich ist.”

     

    Der nächste Bundespräsident wird einer, der systemisch gekauft wurde.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "... da hyperventiliert die Politik schon ..."

     

    Bisher habe ich dieses Symptom ausschließlich in diesem Presseorgan feststellen können.

    Irgendwer muss ja damit anfangen, gelle?