Kommentar NSU-Prozess in München: Absolut inakzeptabel
Die türkische Zeitung „Hürriyet“ hat sich am ersten Tag der Akkreditierung angemeldet – erfolglos. Die Handlungsweise des OLG München ist nicht nachvollziehbar.
I m Gerangel um einen Platz im Gerichtssaal zur Berichterstattung im NSU-Prozess haben ausgerechnet die türkischen Medien den Kürzeren gezogen. War das Auswahlverfahren tatsächlich transparent? Meine Zeitung Hürriyet hatte bereits vor dem Akkreditierungszeitraum immer wieder beim Gericht angerufen und darum gebeten, rechtzeitig informiert zu werden, um bloß keinen Termin zu verpassen.
Am ersten Tag der Akkreditierung haben wir uns angemeldet, und jetzt heißt es aus der Pressestelle des Oberlandesgerichts München: Die anderen waren früher dran. Wie kann das sein? Kann das überhaupt sein? Dass türkische Medien aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen bleiben, ist absolut inakzeptabel. Viele Türken sind nicht nur sehr enttäuscht, sondern geschockt – in Deutschland wie in der Türkei.
Es handelt sich um einen Mordprozess mit rechtsradikalem Hintergrund. Acht der zehn Mordopfer des Zwickauer Terrortrios und seiner mutmaßlichen Helfershelfer waren türkischstämmig. Sie wurden aufgrund ihrer Herkunft getötet.
Für die in Deutschland lebenden Türken ist dieser Prozess eminent wichtig, sie fühlen sich persönlich davon betroffen. Sie wollen die Wahrheit wissen. Sie wollen informiert werden. Und auch die Türkei wird auf diesen Prozess schauen.
Was wäre passiert, wenn bei dem Prozess gegen Marco Weiss wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs im Jahr 2007 in Antalya die türkischen Justizbehörden die deutsche Presse nicht zugelassen hätte? Auch wenn beide Fälle in ihren Dimensionen nicht vergleichbar sind, stelle man sich für einen Moment die Folgen vor. Man hätte der türkischen Justiz nicht nur Dilettantismus vorgeworfen, nicht nur eine „unglückliche Entscheidung“, sondern Böswilligkeit, mutwillige Behinderung der Pressefreiheit, Ressentiments gegen deutsche Medien.
Im Prozess gegen Anders Breivik in Oslo wog das Gericht sorgfältig ab, wer einen Platz im Gerichtssaal bekam und welche Medienvertreter die Verhandlung per Video verfolgen durften. Auch in München muss eine vernünftige und nachvollziehbare Lösung gefunden werden.
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