Kommentar NPD-Verbotsverfahren: Die Verlustrechnung
Die NPD-Verhandlung in Karlsruhe hat gezeigt: Ein Verbot der rechtsextremen Partei löst das Problem nicht. Im Gegenteil.
E s bleibt alles möglich. Drei Tage wurde in Karlsruhe über ein NPD-Verbot verhandelt. Ein Urteil gibt es erst in einigen Monaten. Aus den Reihen der Bundesländer aber vernahm man bereits ein Aufatmen: Kein neuer V-Mann-Skandal, die Ideologie der NPD klar nachgewiesen. Wird schon.
Doch es gibt nichts zu feiern. Denn egal wie das Urteil der Verfassungsrichter am Ende ausfällt: die Verhandlung hat noch einmal gezeigt, dass es die Probleme am rechten Rand nicht lösen wird.
Das begann bereits mit dem kümmerlichen Bild, das die NPD lieferte. Ihr Vorsitzender verhedderte sich in Widersprüche, sobald er erklären sollte, wer denn nun zu seiner „Volksgemeinschaft“ gehöre – und wer nicht. Auch andere Funktionäre vermochten ihren Rassismus nicht zu verbrämen und flüchteten sich in Ausreden. Von den angekündigten „Knallern“: keine Spur.
Die Länder hatten denn auch alle Mühe, eine Gefährlichkeit der NPD nachzuweisen. Immer wieder hielten ihnen die Richter den Mitgliederschwund der Partei entgegen, die leeren Kassen, die mickrige Existenz im Westen, die überschaubaren Erfolge selbst in vermeintlichen Hochburgen.
Die NPD hat Konkurrenz
Die mühevolle Beweisführung der Länder rührte auch daher, dass längst andere mit NPD-Parolen hausieren gehen – mit weitaus größerer Resonanz. In Dresden versammeln sich Tausende hinter einer Bewegung, die Asylbewerber als „Invasoren“ verunglimpft und Politiker als „Volksverräter“. In Hochzeiten kamen zu Pegida bis zu 20.000 Menschen – an einem Montagabend. Es sind viermal so viele, wie die NPD bundesweit an Mitgliedern zählt.
Und daneben gibt es mit der AfD inzwischen eine Partei, die derzeit de facto nichts anderes als Anti-Asyl-Politik macht, die einen Schießbefehl auf Flüchtlinge fordert und ebenso über eine deutsche „Volksgemeinschaft“ sinniert. Und die demnächst wohl mit Rekordergebnissen in ihre Landtage Nummer sechs, sieben und acht einziehen wird.
Fünf Jahre Grün-Rot in Baden-Württemberg. Läuft der Laden weiter? Wie sich das „Ländle“ nach dem Machtwechsel entwickelt hat – und von wem die Menschen repräsentiert werden möchten. Zehn Sonderseiten zur Landtagswahl in der taz.am wochenende vom 5./6. März. Außerdem: Unser Leben wird immer mehr von Algorithmen beeinflusst. Müssen wir anfangen, ihnen Ethik beizubringen? Und: Vor fünf Jahren explodierte das Kernkraftwerk Fukushima. Die Anwohner wurden evakuiert. Wie ist es, zurückzukehren? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
An alldem wird die Entscheidung der Verfassungsrichter nichts ändern. Wird die Partei nicht verboten, wird das Siegesgeheul der NPD immens. Selbst aber eine Entscheidung für ein Verbot würde nicht viel ändern. Sicher, es wäre ein Zeichen gegen die ohne jeden Zweifel menschenverachtende Agitation der Partei, die Steuergelder fielen vorerst weg. Aber längst stehen andere rechtsextreme Parteien bereit: „Die Rechte“ oder der „III. Weg“. Beide sind noch radikaler als die NPD, noch offener gewaltbereit. Zudem mischen NPD-Funktionäre bereits heute bei Anti-Asyl-Protesten und Pegida-Ablegern mit. Sie würden es auch weiter tun – und brauchten dafür nicht mal die Forderungen zu wechseln.
Vor den Verfassungsrichtern erklärte der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt freimütig, er werde auch nach einem Parteiverbot seine Politik fortsetzen. Und diese stehe für die Beendigung der hiesigen „Besatzung“ und den Kampf „für das Reich“. Auch der Anklamer NPD-Funktionär Michael Andrejewski tönte vor dem Senat, er brauche keine Partei für seine Arbeit. Und tatsächlich hat die NPD in seiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern vorgesorgt und ihre Immobilien in Privatbesitz gesichert.
Radikalisierte Rhetorik
Das NPD-Verfahren könnte so mit einer bitteren Bilanz enden. Seit Jahren konzentrierten sich die Länder auf ihren Plan zum Verbot der Neonazi-Partei, sammelten Belege, beschäftigten Arbeitsgruppen – und könnten am Ende doch wenig bewirkt haben.
Parallel aber erfolgte der Aufstieg von AfD und Pegida, radikalisierte sich deren Rhetorik, wuchs die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte.
In Karlsruhe sprach auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), derzeit Bundesratspräsident. Die NPD schüre Hass, sie missachte die Menschenwürde, aus ihrem rassistischen Gedankengut folge Gewalt, sagte Tillich. Klare Worte. Man hätte sie nur auch mal gern über Pegida gehört.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“