Kommentar NPD-Verbot: „Staatlich geprüft und unverbietbar“?
Die Politik ist in einer Sackgasse: Wenn sie jetzt kein NPD-Verbot mehr anstrebt, triumphiert die Neonazi-Partei. Dabei gibt es gute Gründe, dieses Risiko einzugehen.
E s ist ein Satz, der häufig fällt, wenn Innenminister und andere Politiker in diesen Tagen über ein mögliches Verbot der rechtsextremen NPD diskutieren: Man dürfe bei einem zweiten Anlauf auf keinen Fall wie 2003 scheitern, sonst wäre der Schaden immens.
Wenn man ehrlich ist, ist der Schaden schon jetzt da. Denn die Politik hat sich in eine Sackgasse manövriert. Schon im vergangenen Jahr hatten sich die Innenminister geeinigt, ein „erfolgreiches Verbot der NPD“ anzustreben.
Jetzt sollen die vom Staat bezahlten Informanten in der Führungsebene, genannt V-Leute, abgeschaltet werden und bis zum Ende des Jahres weitere Beweise gesammelt und juristisch geprüft werden, ob ein Verbot ganz sicher zu machen ist.
ist Redakteur im Inlandsressort der taz.
Doch was wäre das eigentlich für ein Signal, wenn man nach Jahren der Debatte und Monaten der intensiven Prüfung zu dem Ergebnis kommt: „Wir lassen es doch lieber bleiben, weil uns das Risiko zu hoch ist, vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe oder dem in dieser Sache noch etwas strengeren Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu scheitern“?
Dann könnte sich die NPD ein Schild an ihre Parteizentrale schrauben: staatlich geprüft und unverbietbar. Auch auf ein zweites Verbotsverfahren zu verzichten wäre inzwischen schon eine kleine Niederlage für die Demokratie.
Man kann weiter Beweise sammeln und eine Entscheidung wieder und wieder um ein paar Monate aufschieben. Aber letztlich geht es darum: Will man versuchen, eine Partei zu verbieten, die sich Ende der 90er Jahre bewusst für gewaltbereite Neonazis geöffnet hat und diese heute noch willkommen heißt? Dass ein Verbot gelingt, kann einem keiner vorab zu 100 Prozent garantieren. Aber es gibt gute Gründe, es zu wagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“