piwik no script img

Kommentar MordserieRealität schlägt Fantasie

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Wie ist es möglich, dass bekannte Neonazis, die wegen schwerer Gewalttaten ins Visier der Polizei gerieten, untertauchten und jahrelang mitten in Deutschland lebten?

M öglicherweise steht eine besonders grausame Mordserie unmittelbar vor der Aufklärung. Sollten tatsächlich drei Rechtsextremisten die sogenannten Döner-Morde begangen und eine Polizistin in Heilbronn getötet haben, dann möchte man etwas jetzt nicht hören: wie sich die Ermittler gegenseitig bescheinigen, großartige Arbeit geleistet zu haben. Von einem Fahndungserfolg kann nämlich offenbar keine Rede sein. Im Gegenteil.

Kaum je haben Täter auf spektakulärere Weise auf sich aufmerksam gemacht als die drei Verdächtigten von Zwickau: ein abgefackeltes Wohnmobil, ein Doppelselbstmord, ein explodiertes Wohnhaus, eine Flucht - und eine großzügige Hinterlassenschaft von Waffen, die Gewalttaten zugeordnet werden konnten. Da blieb selbst dem verschlafensten Polizisten nichts anderes übrig, als aktiv zu werden. Hätten sich die drei ruhig verhalten: Ob sie dann bis ins Rentenalter unbehelligt geblieben wären?

Wie ist es möglich, dass bekannte Neonazis, die mehrfach wegen schwerer Gewalttaten ins Visier der Polizei gerieten, untertauchen und jahrelang mitten in Deutschland leben konnten? Verschwörungstheorien sind meistens falsch, aber im Zusammenhang mit Rechtsextremismus hat die Realität schon mehrfach jede Fantasie übertroffen.

Bild: taz
BETTINA GAUS

ist Autorin der taz.

Der Versuch, die NPD verbieten zu lassen, scheiterte seinerzeit unter anderem daran, dass die Partei teilweise von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gesteuert wurde. Auch jetzt gilt es, die Rolle des Verfassungsschutzes genau zu prüfen - am besten durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Interessant zu erfahren wäre auch, weshalb eigentlich im Zusammenhang mit toten Migranten stets so schnell die Rede war von möglichen Kontakten der Opfer zum kriminellen Milieu. Stehen Minderheiten hierzulande unter Generalverdacht, selbst wenn sie umgebracht werden?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • AC
    anna chieh

    Vielleicht wird der Verfassungsschutz von Rechtsextremisten observiert....

  • N
    NaNa

    Und es gab einen besonders herablassenden Ton in der Berichterstattung: "Döner-Morde", "Imbissbuden-Morde". Döner oder Imbisse wurden aber garnicht ermordet, sondern MENSCHEN.

     

    Man könnte stattdessen sagen: Es war ein Angriff auf mittelständische Unternehmer. Wären es Wurzeldeutsche gewesen, wie groß wäre der Aufschrei geworden?

  • H
    Heinz

    Lustig, wie die Experten plötzlich aufschreien, dass die Polizei doch nur Fehler gemacht hat. Diese Experten wissen doch alles besser, schließlich schauen sie regelmäßig den Tatort.

  • V
    Vschulz

    Na da haben sich wohl, ein paar braune Kettenhunde, unkontrolliert von der Leine losgerissen. Das sie gut zehn Jahre lang mordend und plündernd durch die Bundesrepublik streifen konnten, zeigt wieder mal, wie blind der deutsche Staat auf dem rechten Auge ist und das man seit der Weimarer Republik nichts dazu gelernt hat, nämlich das man Nazis nicht kontrollieren kann.

    So schnell der Spuk begonnen hatte, ist er auch schon wieder vorbei. Zwei wurden mit einem gezielten Fangschuss zur Strecke gebracht, der dritte torkelte wenig kooperativ, mit einem Anwalt im Schlepptau, zur nächsten Polizeidienststelle, nachdem er alle Beweismittel, dilettantisch in die Gegend bebombt hatte.

    Fall gelöst! ...und die anderen Kameraden können weiter an eine "Braune Armee Fraktion" arbeiten, wenn es sie nicht schon längst gibt.

     

    Danke lieber Verfassungsschulz

  • K
    Katev

    Tja, wenn wir schon davon sprechen, dass die Realität die Fantasie schlägt und wir uns über die Rolle des Verfassungsschutzes wundern, vielleicht macht sich die taz ja doch noch mal Gedanken über die sog. Dritte Generation der RAF, deren Superkiller wie Unsichtbare agieren konnten und für die Elite eher unangenehme Leute wie Rohwedder und Herrhausen ermordeten. Von denen fehlt ja heute immer noch jegliche Spur...

  • M
    Muscarius

    Dieser Fall ist natürlich ein gefundenes Fressen für alle, die den Schwerpunkt alleine beim Rechtsextremismus gesetzt sehen möchten, was eh der Fall ist, aber es gibt de facto immer noch wesentlich mehr deutsche Opfer durch Ausländer und "Migranten", als Opfer durch Rechtsextremismus. Der neue Fall möglicher rechtsradikaler Gewalt, darf nur nicht dazu führen, wieder einmal die andere Gewalttaten und Tötungsdelikte zu verharmlosen und zu relativieren, um von weiteren, schwerwiegenden Problemfeldern abzulenken.

     

    Wie kann das sein?: Noch immer laufen allgemein viele Intensivtäter frei herum, bis es zu einem Todesoper kommt, und selbst dann fallen die Strafen meist harmlos aus, oder werden gar zur Bewährung ausgesetzt, vorausgesetzt es handelte sich nicht um deutsche, rechtsradikale Täter.

  • S
    Silvia

    "...Der Versuch, die NPD verbieten zu lassen, scheiterte seinerzeit unter anderem daran, dass die Partei teilweise von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gesteuert wurde. Auch jetzt gilt es, die Rolle des Verfassungsschutzes genau zu prüfen - am besten durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. ..."

     

    bis prüfen stimme ich zu,danach greift B.Brecht:

    "Wo Gesetz ungesetzlich wird ist Widerstand Pflicht!" demnach:

    asamblea,asamblea,asamblea ruckizuck-dann klappt es auch mit den Extremisten-die von oben und von unten,abba ob sich da ein Konsens finden lässt bleibt zweifelhaft-eher sowas wie ein "coming out" um die dann darin bloßzustellen und unwirksam machen durch ignorieren einfach nicht mitmachen-also...reden lassen,und fertig...was sollen worte schon ausrichten,wenn keiner die ernst nimmt,aber man wenigstens weiss mit wem man es zu tun hat?dass die dann vielleicht noch mehr sch...se baun,um aufmerksamkeit zu erreichen,würde herr schröder wohl als "collateralschaden" bezeichnen,ich nenne es "Staatsterrorismus" a la "GLADIO",um die Illusion einer Not der Regierung zu erzielen...na ja wie dem auch sei...das ist meine individuelle meinung...immerhin darf in der asamblea jeder sprechen...und es fällt mir schwer nicht viele,viele,viele schimpfwörter zu sagen...seeeeeeeeeeehr schwer....!!!!!!!

  • TS
    Thomas Sch.

    Die Frage warum (sog.) bekannte Neonazis unbehelligt unter uns Leben können ohne aufzufallen, ist doch ganz leicht zu beantworten. Erstens: Jeder Verbrecher tarnt sich. Läuft also nicht mit einer Hakenkreuzarmbinde durch die Gegend, hat weder Adolf-Schnurrbart noch Gestapo-Ledermantel an und ist erstmal so nicht zu erkennen. Zweitens: Da die Medien (auch die TAZ) heutzutage überall Rechte, Rechtslastiges, Nazis, Rechtspopulisten wittern -allein die Zahl der Begriffe für vermeintlich Verdächtige sollte Aufmerksamkeit erregen- nimmt damit auch selbstverständlich die Aufmerksamkeit für vermeintliche Verdachtsfälle ab. Ich erinnere an dieser Stelle daran, daß es immerhin Herr Lafontaine war, der im Bundestag sagte, daß man mit Werten wie zum Beispiel Pünktlichkeit auch ein KZ betreiben kann. Wenn also schon jedwede äußerliche Ähnlichkeit bereits Verdacht erregen soll, bleibt das wirklich Gefährliche, also das Wesentliche der Gefahr unerkannt unter der Oberfläche verborgen. Vielleicht sollten sich unsere Medienschaffenden mal zusammennehmen und nicht immer versuchen, andauernd Nazischweine durchs Mediendorf zu treiben. Wer den alljährlichen Umzug des dörflichen Schützenvereins bereits als naziähnlichen Umtrieb ansieht, darf sich nicht wundern, wenn er beim nächsten Halali nur Gähnen erntet. Den Vogel abschießen dabei tut die sogenannte Antifa: Bei denen ist das Hakenkreuz quasi bereis geistig eintätowiert: Schon beim Aufwachen sehen die überall notorisch nur Braune durch die Gegend stiefeln. In der Medizin wird sowas als Verfolgungswahn bezeichnet. Aus ihrem ehemals ehrenwerten Ansatz, wirlich Gefährliches zu bekämpfen, ist zwischenzeitlich leider eine traurige Truppe von Paranoikern geworden: Aus Kränzchen von übriggebliebenen, steinzeitlich alten Rentnern, die nochmal bei Kaffee und Kuchen an die Kinderzeit im Sudetenland oder Ostpreußen erinnern, macht die Antifa regelmäßig Nazitreffen. So macht man sich natürlich lächerlich. Und wird in seinem Alarmismus und falschen Verdächtigungen sogar dem ähnlich, den er zu bekämpfen vorgibt. Wer ständig Feuer, Feuer ruft und es brennt dann nicht, darf sich auch nicht wundern, daß man ihn bei wirklicher Gefahr nicht ernstnimmt.

  • MS
    Manuel S.

    Liebe Frau Gaus,

     

    im Grundasatz finde ich den Kommentar gut aber ein bisschen.... kurz?

     

    Wenig Inhalt zu einem Thema das doch intensiv betrachtet werden könnte.

    #MfG

  • V
    vic

    Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss?

    Man nenne mir einen solchen, der jemals zu brauchbaren Ergebnissen geführt hätte.

    Die "Schärfste Waffe der Demokratie" ist ein Wattebällchen.

  • P
    polyphem

    Wenn Du erst in Rente bist,

    kommt bestimmt kein Polizist,

    der denkt, dass Du noch tätig bist.

    Frau Gaus, was soll denn dieser Mist?

    (mit der Rente?)

     

    Ansonsten: volle Zustimmung.

  • M
    mattys

    muss laut lachen,tja nu haben sie zugeschlagen ,eure lieblinge die ihr immer vor den ,ach so bösen linken, beschützt.aber deutschland kuschel und hofiere die rechten nur weiter. ... über alles

  • TH
    Thorsten Haupts

    Wie ist es möglich? Ganz einfach - kein fester Wohnsitz, keine feste Arbeit, Telefonkarten von Bekannten, keine Ummeldung = verschwunden für deutsche Behörden.

     

    Aber es ist natürlich viel einfacher, "Verschwörung" zu schreien. Verfassungsschutz! Filz! Vertuschung! Komisch - bei linken Krawallos (schwarzer Block) würde ich eine solche Forderung in der TAZ niemals lesen. Linke würden Gesinnungsgenossen ja auch niemals einen Tip geben. Ach so :-).

  • JA
    Jemand Anderes

    Unaufgeklärt ist auch der Anschlag von Düsseldorf der im Jahr 2000 zu Schröders "Aufstand der Anständigen" führte. Dabei wurden jüdische Spätaussiedler schwer verletzt und ein ungeborenes Kind getötet. Mir als ehemaligen linksautonomen der ständig wegen Antifakram die Polizei vor der Tür hatte geht das einfach nicht in den Kopf was da gerade zusammengeführt wird. Der Name "Dönermorde" klingt alleine schon so krass respektlos und als ich mir ältere Artikel zu den Fällen durchgelesen habe wurde immer mit "mafia", "pkk" ,"illegale Wetten" etc als Täter spekuliert bzw. Verschwörungstheorien verbreitet. Es gibt immer die guten Verschörungstheorien die kommen von den Medien und den Politikern und dann gibts die bösen die sagen dass der Staat bzw. irgendwelche seiner ihm zuarbeitenden Dienste auch ordentlich Mist bauen und Menschenleben dabei manchmal keine Rolle spielen wenn es darum geht höhere (undurchschaubare) Interessen durchzusetzen. Bewiesen wird letzteres nur selten doch sollte damit aufgehört werden zu glauben dass soetwas unmöglich ist. Das kann nicht stimmen. Es werden rechte Augen zugedrückt und spätestens seit dem Celler Loch wissen wir dass sie auch mal zuschlagen können. Jene die unsere Verfassung schützen sollen. Es muss eine Untersuchung geben, eigentlich von Leuten die da nicht mit drin hängen. Aber welcher Institution dieses Staates kann vertraut werden? Ich glaube gerade keiner. Leider.

  • N
    never!Land

    Mir drängt sich da ein Gedanke auf: Die deutsche extreme Rechte ist eine Schöpfung der CDU und ihres Verfassungsschutzes, um Stimmungem zu kreiren, die dann vom rechten Flügel der Union ("Kriminelle Ausländer raus!") abgeschöpft werden können und die die Rechtsradikalen Alt- und Neunazis innerhalb der CDU überlagern sollen.

    Weil man andererseits auf die linke Szene kaum oder gar keinen Einfluss hat, ist er böse und Terrorismus - und zwar eben nicht im Auftrage des, sondern gegen den Staat.

  • A
    aurorua

    Legislative, exekutive und judikative sind und waren auf dem rechten Auge doch immer schon blind.

    Links sieht man allerdings mehr als doppelt gut, in Summe irgendwie pathogen.

  • A
    AntiFunt

    Naja, mancher wundert sich, warum rechte Mörder frei rumlaufen dürfen, mancher wundert sich, warum reaktionäre Vergewaltiger frei rumlaufen dürfen.

     

    Nur: Das eine intressiert halt die taz-Leserschaft, das andere würde dann doch zu sehr am eigenen Weltbild rütteln.

     

    In diesem Sinne: Weiterhin ein Auge zu und durch!

  • RW
    Richard Wolf

    "Wie ist es möglich, dass bekannte Neonazis, die mehrfach wegen schwerer Gewalttaten ins Visier der Polizei gerieten, untertauchen und jahrelang mitten in Deutschland leben konnten?"

     

    Weil an bestimmter Stelle Leute sitzen, die ihre schützende Hand über sie hielten. Gerade in Deutschland ist das möglich!

  • T
    Theodor

    Was mich am meisten interessiert in dieser Sache, ist, wie es dazu kommt, dass während die Rechten unbestraft morden, das ganze Land von der Politik und den Medien in Panik gehalten wird, weil ein paar nahezu harmlose linke Brandstifter zu Terroristen hochstilisiert werden.

  • M
    Mügrönt

    "Interessant zu erfahren wäre auch, weshalb eigentlich im Zusammenhang mit toten Migranten stets so schnell die Rede war von möglichen Kontakten der Opfer zum kriminellen Milieu. Stehen Minderheiten hierzulande unter Generalverdacht, selbst wenn sie umgebracht werden?"

     

    Nein "Minderheiten" nicht. Minderheiten wären Sorben oder Dänen in Schleswig-Holstein. Auch nicht Ausländer. Die mit "Minderheiten" von der Autorin gemeinten Türken und Araber auch nicht. Viele von ihnen sind einfach kriminell. Wesentlich mehr als die Autorin wahrhaben will. Deshalb auch die Abschaffung von Statistiken und das mediale Neusprech wie z.B. "Migranten" für Türken und Araber. Die verdächtigen und verhörten "Migranten" in den Dönermorden setzten sich dann auch schnell ins Ausland ab. Meist in die Türkei. Das waren dann wohl kaum deutsche Neonazis.