Kommentar Misstrauensvotum May: Ein Sieg ohne Größe
Theresa May gewinnt die Vertrauensabstimmung bei den britischen Konservativen. Doch sie eröffnet zugleich den Kampf um ihre Nachfolge.
T heresa May hat es geschafft. Mit 200 zu 117 Stimmen hat die britische Premierministerin die Vertrauensabstimmung in ihrer konservativen Parlamentsfraktion gewonnen. Sie bleibt also im Amt.
Dieser Sieg war zu erwarten. Nicht nur Mays Gegner, auch May selbst wollte ja diese Abstimmung, um zu beweisen, dass sie die Herrin im Hause ist. Ihre parteiinterne Konkurrenz hat selbst in diesen Zeiten der größtmöglichen innenpolitischen Krise nicht das Gewicht, um sie aus den Angeln zu heben.
Ein großartiger Sieg aber sieht anders aus. Eine Premierministerin, die nur 200 von insgesamt 650 Unterhausabgeordneten hinter sich weiß, kann nur schwer ein legitimes Regierungsmandat für sich beanspruchen. 117 Gegenstimmen in den eigenen Reihen – das ist mehr als ein Drittel der Parlamentsfraktion und mehr, als die Brexit-Hardliner im Laufe dieses Tages für möglich gehalten hatten. Es ist sogar mehr als die geschätzte Anzahl der konservativen Abgeordneten, die gegen Mays umstrittenen Brexit-Deal mit der EU gestimmt hätten, wenn sie sich getraut hätte, ihn dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen.
Ihre Ablehnung geht also über die Frage des Brexit hinaus. Es geht ganz traditionell um mangelndes Vertrauen in ihre Führungsqualitäten. Es geht um eine Grundsatzfrage, nicht nur um eine bestimmte politische Differenz.
Theresa May weiß das. Gegenüber der Fraktion musste sie vor der Abstimmung bekräftigen, sie werde die Konservativen nicht in die nächste Wahl führen – die turnusmäßig im Mai 2022 stattfindet, aber je nach Entwicklung auch schon in sechs Wochen dräuen könnte. Nun hatte niemand wirklich damit gerechnet, dass sie das überhaupt vorhat, aber indem sie es ausdrücklich sagte, erklärte sie sich selbst zu einer Premierministerin auf Abruf.
May bleibt im Amt, aber die Entscheidung ist lediglich verschoben. Der Kampf um die Nachfolge kann jetzt ganz offiziell beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen