Kommentar Milli Görüs: Kriminalisierung gescheitert
Die Ermittlungen gegen Milli Görus wurden wegen fehlender Gründe sang- und klanglos eingestellt. Seine Vertreter müssen deshalb wieder zur Islamkonferenz eingeladen werden.
D em islamischen Verband Milli Görüs kann man so einiges vorwerfen. Seine Strukturen sind undurchsichtig und autoritär und der Islam, den er vertritt, ist sehr konservativ. Milli Görüs steht für Kopftuch, Geschlechtertrennung und einen rigiden Moralkodex, die Weltsicht vieler Mitglieder kann man mit gutem Grund problematisch finden.
Was man Milli Görüs aber offenbar nicht vorwerfen kann, ist, dass es sich dabei um eine "kriminelle Vereinigung" handelt. Entsprechende Ermittlungen gegen den Verband und sechs seiner Spitzenfunktionäre hat die Staatsanwaltschaft München jetzt eingestellt.
Dafür, dass diese einst mit großem Medientrara und spektakulären Razzien in Gang gesetzt wurden, erfolgte dieses Eingeständnis fehlender Gründe für dieses Getöse erstaunlich sang- und klanglos. Der Versuch, einen der größten islamischen Verbände in Deutschland zu kriminalisieren, ist damit fehlgeschlagen.
Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.
Innenminister Thomas de Maizière täte gut daran, die Vertreter von Milli Görüs jetzt wieder zurück an den Tisch der Islamkonferenz bitten, von der er sie des schwelenden Ermittlungsverfahrens wegen im Frühjahr des vergangenen Jahres ausgeschlossen hatte.
Dass sich die schweren Vorwürfe der Geldwäsche und des Betrugs als haltlos erwiesen haben, macht aus den Milli-Görüs-Leuten zwar noch keine Chorknaben. Noch immer steht etwa der Vorwurf im Raum, die Milli-Görüs-Führungsriege hätte über Umwege einen Hilfsverein unterstützt, welcher der palästinensischen Hamas nahe gestanden habe.
Sollte sich aber auch dieser Zweifel am Ende nicht erhärten, dann wäre es falsch, sich weiterhin einem Dialog mit konservativen Muslimen zu verweigern, die gewaltfrei und offenbar gesetzestreu sind: Das wäre staatliche Integrationsverweigerung von ganz oben.
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