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Kommentar Militärpaket USAAtomwaffen für Polen!

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Obama kündigt an, eine Milliarde Dollar für Osteuropa im Militäretat lockerzumachen. Eine symbolische Geste, falsch und nutzlos.

Sehr imposanter Lüster. Dass er ja nicht runterfällt! Bild: reuters

A ls Mitbringsel zum D-Day-Jubiläum hat US-Präsident Obama bei seinem Staatsbesuch in Warschau eine rund eine Milliarde Dollar teure „Sicherheitsinitiative“ für die osteuropäischen Nato-Staaten angekündigt. Lächerlich! Wer Polen und die baltischen Staaten effektiv vor dem gefährlichen russischen Bären schützen will, muss diesen Ländern Atomwaffen geben. Am besten zum selbstbestimmten Einsatz, ganz ohne lästige Abstimmung mit Deutschland und anderen zögerlichen Nato-Partnern.

Nein, im Ernst: Barack Obamas „Sicherheitsinitiative“ wie auch die penetranten Aufrüstungsforderungen des noch amtierenden Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen sind die falsche, weil nutzlose und im schlimmsten Fall kontraproduktive Reaktion auf Russlands Verhalten im Ukrainekonflikt.

Denn zu der eindeutig und unstrittig völkerrechtswidrigen, mit Gewaltmitteln herbeigeführten Annexion der Krim sowie zur Unterstützung der separatistischen Kräfte in der Ostukraine war und ist die Regierung Putin ja nicht etwa deshalb in der Lage, weil Russland der Nato militärisch überlegen wäre. Nein, das Gegenteil ist der Fall, und zwar sowohl im konventionellen wie auch im atomaren Bereich.

Es ist eher so: Russlands Präsident Putin kalkulierte zutreffend, dass die Nato ihr überlegenes militärisches Potenzial wegen der unstabilen Ukraine auf keinen Fall zum Einsatz bringen würde. Für Moskaus Verhalten im Ukrainekonflikt, insbesondere auf der Krim, waren russische Sicherheitsinteressen ausschlaggebend – nicht zuletzt in Reaktion auf die Nato-Osterweiterung. Das macht Moskaus Verhalten zwar nicht akzeptabel, aber wenigstens erklärbar. Für eine russische Aggression gegen Polen oder die baltischen Staaten gibt es hingegen absolut kein denkbares Motiv.

Das wissen auch die Strategen in Washington und Brüssel. Obamas Mitbringsel ist vor allem eine symbolische Geste mit zwei Kalkülen. Die osteuropäischen Nato-Partner sollen beruhigt werden, genau wie die Hardliner in Washington, die im Vorfeld der Kongresswahlen im Herbst und der Präsidentschaftswahlen 2016 wachsenden Druck ausüben wegen der angeblich zu weichen und nachgiebigen Außenpolitik Obamas und seiner Ex-Außenministerin und Nachfolgekandidatin Hillary Clinton.

Beide Kalküle werden aber höchstwahrscheinlich nicht aufgehen. Die Regierung Putin dürfte Obamas symbolische Geste kaum ernsthaft beeindrucken. Allerdings könnte sie diese zum Vorwand nutzen, auch ihrerseits weiterhin eine Deeskalation des Ukrainekonflikts zu verweigern. Gedient wäre damit keiner Seite.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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8 Kommentare

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  • Was bei der Diskussion gerne vergessen wird, die alternative zur NATO-Mitgliedschaft Polens wäre ein atomar bewaffnetes Polen.

     

    Aber das will ja keiner hören.

  • Niemand, nicht das Völkerrecht noch Verfassungen haben das Recht anderen Menschen die Zugehörigkeit zu eine Gemeinschaft/ einem Staatswesen aufzuzwingen, wenn sie mehrheitlich herauslösen wollen. Meine Sorge gilt jetzt vor allem den Russen in der Ost-Ukraine. Mit Duldung von Merkel und Obama steht denen ein Martyrium bevor.

  • Ein guter Text- Danke Andreas Zumach!

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    Polen, die polnische Regierung, erscheint Angst erstarrt, entmündigt..

    Polen sollte lieber eine Politik der Annäherung und Freundschaft mit Russland und der Eurasischen Union anstreben! Das wäre den Ideen des Friedens- als auch der EU- dienlicher!

  • Andreas Zumach, ein guter Kommentar! - Der nächste Friedensnobelscheiss geht an .... Obama!

  • (...) Es ist eher so: Russlands Präsident Putin kalkulierte zutreffend, dass die Nato ihr überlegenes militärisches Potenzial wegen der unstabilen Ukraine auf keinen Fall zum Einsatz bringen würde. Für Moskaus Verhalten im Ukrainekonflikt, insbesondere auf der Krim, waren russische Sicherheitsinteressen ausschlaggebend (...). Für eine russische Aggression gegen Polen oder die baltischen Staaten gibt es hingegen absolut kein denkbares Motiv.(...)

     

    Genau das was Herr Zumach geschrieben hat schwirrt mir eigentlich schon seit Wochen im Kopf rum. Das hysterische "der Russe kommt" (Waibel/taz, Kohler, Frankenberger/FAZ u.A. ...) kann ich daher überhaupt nicht nachvollziehen.

     

    Trotzdem bietet die aktuelle Krim/Ukrainekrise die Möglichkeit, aus der NATO wieder ein echtes Verteidigungsbündnis zu machen. Der Fokus und die Einsatzdoktrin muss in Zukunft eindeutig auf Landesverteidigung (wie die Schweizer) und weg von Interventionsfähigkeit gerichtet werden.

    Dazu muss der Verteidigungsetat inflationsbereinigt nicht erhöht sondern die Schwerpunkte neu gelegt werden.

     

    Von Atomwaffen für Polen oder in Folge für jedes Nato Land, auch Deutschland (FJS grüßt aus der Gruft) halte ich gar nichts, genau genommen habe wir heute schon zu viele Atommächte.

     

    Auslandseinsätze bitte nur im Katastrophenfall von THW und Sanitätsdienst in befriedete Gebiete. Hier wären zusätzliche Mittel immer sinnvoll.

     

    Zum Verhältnis zu Russland: dem Anschluss der Krim sollte man den Segen geben wenn die Astimmung (mit ordentlichen ja/nein Stimmzettlen und geheimer Wahl aller KrimbewohnerInnen) unter UN Aufsicht noch einmal wiederholt würde. Ansonsten "business as usual" um Russland keinen Vorwand zu geben den destruktiven russischen Minderheitennationalismus außerhalb der eigenen Grenzen weiter zu schüren.

    • @Waage69:

      "Trotzdem bietet die aktuelle Krim/Ukrainekrise die Möglichkeit, aus der NATO wieder ein echtes Verteidigungsbündnis zu machen."

      Nein , die Nato ist seit 1991 obsolet geworden und ist es immer noch !

      K e i n kapitalistisch organisiertes Land des Westens einschließlich Russland hat ein i r g e n d w i e begründbares Interesse daran , ein anderes Land kriegerisch niederzuringen , um es auf Dauer zu besetzen . Dass Russland sich die Krim "einverleibt" hat , wurde und wird weiterhin immer verständlicher durch das aggressive , verlogen-scheinlegitime Verhalten des Westens mit dem Vorrücken seiner "Verteidigungs"-Nato an die Grenze Russlands .

      Übrigens . Allein schon wegen ihrer Forderung , D solle aus der Nato austreten , bleibt Die Linke die einzige Partei , die ein Linker noch wählen kann .

      • @APOKALYPTIKER:

        Gegen die Nato als Verteidigungsbündnis habe ich bei aller Kritik im Grunde nichts einzuwenden da mir die Amis in Polen dann doch lieber sind als die Russen.

         

        Ihr Mittelteil:

        Die Krim - jaja - geschenkt

         

        Zum Schluss:

        Wen ein "Linker" zu wählen hat oder nicht ist eine persönliche Entscheidung und fällt in zivilisierten Ländern unters Wahlgeheimnis - oder anders formuliert:

         

        Ich könnte z.B. keine Partei wählen deren Anhänger andauernd dazu neigen, einteilen zu müssen wer nun wirklich die richtige linke Gesinnung hat und wer nicht.

  • „Das macht Moskaus Verhalten ... wenigstens erklärbar.“ Ganz schön gewagt, so etwas heutzutage zu schreiben. Wer Putin auch nur ansatzweise versteht, hat eine gefährliche Schwäche für chauvinistische Alleinherrscher, romantisiert die Rote Armee und verharmlost die Greuel von Grosny. Aber das werden Ihnen die KollegInnen schon husten.

     

    Was die „ kontraproduktive Reaktion“ anbelangt: die ist keine. Diese ganze Osteuropa-Aufrüstungs-Nummer ist schon lange Bestandteil der US- und NATO-Strategie. Der Verweis auf die Ukraine dient lediglich dazu, Akzeptanz für die Umsetzung dieses Plans zu schaffen.

     

    Auch möchte ich bezweifeln, daß die Machthaber in Polen oder den Baltenstaaten ernsthaft „beunruhigt“ sind. Die sind höchstens freudig erregt, eine so wichtige Rolle im Geschacher um Einflußsphären zu spielen und erhoffen sich – neben handfesten Investitionen aus Übersee – mit dem Abschöpfen antikommunistischer Ressentiments ein paar Sympathiepunkte in der Bevölkerung sammeln zu können.