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Kommentar Milchboykott-EndeGeiz ist out

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Ausgerechnet der Discounter Lidl ist als erster auf die Forderung nach höheren Milchpreisen eingegangen. Doch das Resultat dieser Imagepflege ist der richtige Weg.

Bild: taz

Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Der Klimawandel und die effiziente - und kostensparende - Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.

Lidl hat als Erster nachgegeben, ausgerechnet Lidl. Jener Discounter, der in der Vergangenheit durch miserable Arbeitsbedingungen und sogar Mitarbeiterbespitzelung aufgefallen war. Dieser Lidl zeigt sich plötzlich als Freund der Landwirtschaft, indem er den Bauern bessere Preise für ihre Milch gewährt.

Die Ausgaben dürfte Lidl als Werbekosten werten. Wenn ein sonst gnadenloser Ausquetscher aller Lieferanten nun einen Hauch von Menschlichkeit zugunsten der Landwirte zelebriert, dann kann es dabei nur um dringend nötige Imagepflege gehen. Offenbar schien dem Lidl-Management die Gelegenheit günstig, sich nach den Skandalen der Vergangenheit neu zu positionieren.

Denn auch Lidl weiß: Die Mehrheit der Deutschen stützt die Forderung der Bauern nach auskömmlichen Milchpreisen. Viele Kunden sind bereit, ein paar Cent mehr für die Milch zu bezahlen - vorausgesetzt, das Geld kommt tatsächlich bei der Landwirtschaft an. Und davon kann man in diesem Fall ausgehen.

Aus Kundensicht gibt es in der Tat Spielräume: Noch nie wurde ein so geringer Teil des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben wie in den letzten Jahren. In den Siebzigern kosteten Nahrungsmittel gemessen am Lohn bei uns doppelt so viel wie heute. Zudem gibt es fast kein Land, in dem weniger für Nahrungsmittel ausgegeben wird.

Zu hoffen bleibt nun, dass andere Handelsketten nachziehen. Schön wäre es, wenn der erfolgreiche Streik der Milchbauern die Machtstrukturen in der Lebensmittelbranche auf Dauer ein klein wenig verschoben hätte. Denn der permanente Preisdruck der Handelsketten auf Kosten der Lebensmittelqualität, auf Kosten der Produzenten und ihrer Arbeitsbedingungen, auf Kosten der Umwelt und auch der Zuchttiere hat längst ein unerträgliches Maß angenommen. So bleibt zu hoffen, dass der Erfolg der Milchbauern auch anderen heimischen Erzeugern das Selbstbewusstsein gibt, vom Handel wieder Preise einzufordern, die eine vernünftige Landwirtschaft möglich machen.

BERNWARD JANZING

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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1 Kommentar

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  • KK
    K. Krams

    "In den Siebzigern kosteten Nahrungsmittel gemessen am Lohn bei uns doppelt so viel wie heute...". Naja, diese Aussage wäre erst zu überprüfen, bevor sie als unumstößliche Tatsache in den öffentlichen Raum getragen wird.Aufgrund welcher statistischen Berechnungen, welche Daten wurden herangezogen? Oder werden hier nur wieder von interessierten Politikern lancierte Statistiken unreflektiert wiedergegeben? Viele Haushalte haben immer weniger in der Tasche. Bei realen Berechnungen. Ohne Einbezug von Durchschnittsberechnungen, die das Einkommen der Gesamtbevölkerung, also auch der immer wohlhabender (wieso eigentlich? Provokante Frage.)werdenden, miteinbezieht.Ich weiß, der Vergleich hinkt, aber trotzdem ganz banal: bei sinkenden Reallöhnen kostet die Gurke schon mal 1,- €, das sind 2,-DM. Die Tasse Kaffe kostet schon mal 2,-€, das sind 4,-DM. Aber alles nur gefühlt, versteht sich. Und wie geht es bei den Lebensmittelkosten eigentlichen den vielen Millionen armen Menschen (davon 2, 5 Millionen Kinder) im Lande. Wieso werden die Tafeln für Bedürftige im Lande immer mehr. Und wieso werden diese Tatsachen bei Berichten über die Preisentwicklung und dem € stets nicht erwähnt?