piwik no script img

Kommentar Mieten-Demo in HamburgFalsches Kalkül

Kommentar von Kai von Appen

Man könnte meinen, der Polizei war es peinlich, dass der Marsch durch St. Pauli Süd ohne Zwischenfälle vonstattengegangen ist.

S ie kann es nicht lassen: Obwohl die Demonstration gegen den Mietenwahnsinn und für die Vergesellschaftung von Wohnraum zunächst friedlich verlief, sorgte das provokante Vorgehen der Polizei im weiteren Verlauf immer wieder für Zwischenfälle, als wolle sie bewusst unnütze Auseinandersetzungen auslösen. Man könnte meinen, der Polizei war es peinlich, dass der Marsch durch St. Pauli Süd entlang der Gentrifizierungs-Tempel, den die Versammlungsbehörde verbieten wollte und dafür einen Rüffel vom Oberverwaltungsgericht kassierte, ohne Zwischenfälle vonstattengegangen ist.

Denn wer grundlos enge Spaliere entlang der Demonstration aufbaut, die es laut schwarz-grüner Koalitionsvereinbarung gar nicht mehr geben dürfte, der möchte nur Randale entfachen - und das gerade, wenn es am Wohnprojekt und einem Neubau des Miethäuser-Syndikats in der Chemnitzstraße sowie dem Bauwagenplatz "Hospi" vorbei gehen soll.

Doch das Kalkül ist nicht aufgegangen. Die Demonstranten haben den Fehde-Handschuh nicht aufgenommen und zeigten Disziplin, sodass der Protestmarsch des Netzwerks "Recht auf Stadt" trotzdem eine machtvolle Manifestation gegen die Wohnungsmisere und gegen die herrschende Wohnungspolitik geworden ist. Das sollte dem SPD-Senat zu denken geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hamburg-Redakteur
Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung

6 Kommentare

 / 
  • ME
    Maximilian Eberhart

    Die Politik, hier die SPD, hat von Anfang an auf Eskalation gesetzt, um zu spalten. Drei Tage vor der Demo tauchte ein nicht authentifiziertes Bekennerschreiben bei der Mopo auf. Am Tag nach der Demo forderte SPD-Fraktionschef Dressel auf, sich von gewaltsamen Protesten zu distanzieren.

    Die Polizeitaktik ist also nur folgerichtig in dieser Art zu denken und zu handeln.

    Das schafft zwar keine Wohnungen, verhindert aber vielleicht, dass der Protest noch lauter wird und die "Mitte" der Gesellschaft erreicht.

  • IN
    ihr name

    @Christoph Holstein

    Es ist noch nicht ein Jahr vorbei und die SPD muss schon wieder runterfahren. Insofern: Es geht nocht, bald aber nicht mehr. Und Grote ist wirklich ein toller Wohnungspolitiker - fragt sich nur für wen.

  • P
    pablo

    @Christoph Holstein: und was hat der spd senat bisher getan und was tut er um das thema explodierende mieten und wohnungsmangel entgegen zu treten? nicht viel mehr als cdu/schill und cdu/gal senate vorher getan haben. der farbanschlag auf das büro von grote ist m.E. symbolischer natur das man mit der wohnungspolitik des spd geführten senat nicht einverstanden ist. nicht herr grote hat das them in die öffentlichkeit gebracht sondern die betroffenen bürger. wenn man sich nochmal durch liest welche forderungen von der spd zu oppositionszeiten aufgestellt worden sind und was nun tatsächlisch umgesetzt wird hat es nicht den bzw. die falschen getroffen.

  • LK
    Lena Klaenfoth

    "Denn wer grundlos enge Spaliere entlang der Demonstration aufbaut, die es laut schwarz-grüner Koalitionsvereinbarung gar nicht mehr geben dürfte, der möchte nur Randale entfachen -"

     

    Ach herje, ist das lächerlich.

  • A
    August

    @Christoph:

     

    Es geht in dem Kommentar um das Auftreten der Polizei, das sich nicht verändert hat. Machen Sie den Selbstversuch, und laufen bei einer Demonstration mit, die von anonymen, voll gepanzerten, mit Schlagstöcken und Pfefferspray beladenen Polizisten umzingelt durch enge Straßen geht. Dann haben Sie evtl. eine Ahnung davon, wer hier "Hirn vom Himmel" wirft.

    Das Versagen der Cdu/Gal Koalition wird nicht in Abrede gestellt, doch die Spd könnte etwas ändern an dem martialischen und damit provokanten Auftreten der Polizei.

  • CH
    Christoph Holstein

    "Das sollte dem SPD-Senat zu denken geben..." - gehts noch? Soweit ich mich erinnere, haben CDU-geführte Senate, zuletzt zwei Jahre unter Beteiligung der GAL, das Thema Wohnungsneubau komplett verpennt. Wenn jetzt dem SPD-Abgeordneten Grote das Büro beworfen wird, dann trifft es denjenigen, der in den letzen Jahren mit zu den wenigen gehörte, die das Thema Mietwohnungmisere in die Öffentlichkeit gezogen haben. - Herr, wirf Hirn vom Himmel!