Kommentar Merkels Regierungserklärung: Die Freiheit nicht selbst aufgeben
Die Bundeskanzlerin bewährt sich ein weiteres Mal als Antirassistin. Doch in Sachen Vorratsdatenspeicherung begeht sie einen bekannten Fehler.
N ach all den schlimmen Nachrichten der letzten Zeit, nach all den verstörenden Bildern von mordenden Terroristen und ihren gedemütigten Opfern, hat die Kanzlerin eine Regierungserklärung abgegeben. Vor allem ging es ihr um das Sichtbarmachen von Kompetenz, gerade im Moment der Bedrohung. Trotzdem ist Angela Merkel im Begriff, in der Frage der Vorratsdatenspeicherung einen schweren Fehler zu begehen.
In ihrer Rede nannte sie Islamismus und Antisemitismus im selben Atemzug als verheerend für eine offene Gesellschaft. Die Muslime in Deutschland nahm sie gegen jeden Generalverdacht in Schutz. Sie wandte sich gegen die Mitläufer von Pegida und bestärkte im selben Atemzug die übergroße demokratische Mehrheit. Aber dann forderte sie die massenhafte Datenabschöpfung.
Als Beruhigungsmittel für angstgeplagte Bürger taugt die Rundum-Überwachung nicht. Der Nachweis wurde gerade in Frankreich geführt. In diesem, dem unseren durchaus vergleichbaren Land gibt es die Vorratsdatenspeicherung. Gegen den Terror konnte sie nichts ausrichten.
Ja, die Bürger wünschen sich mehr Sicherheit, zum Beispiel mehr und besser ausgerüstete Polizei und klare rechtliche Sanktionsmöglichkeiten. Merkel steht dafür, all das durchsetzen zu können. Trotzdem folgt sie dem bekannten Reflex, lieber die Bürgerrechte einzuschränken.
Jetzt kommt es auf die Sozialdemokraten an. Die Forderung der SPD-Landesinnenminister nach der Vorratsdatenspeicherung steht gegen deren Ablehnung durch Heiko Maas. Die Wischiwaschi-Haltung von Fraktionschef Thomas Oppermann, man könne über alles reden, ist ein ganz schlechtes Zeichen. Der Grüne Anton Hofreiter hat einfach recht, wenn er sagt: „Wenn unsere Freiheit angegriffen wird, dürfen wir unsere Freiheit doch nicht selbst aufgeben.“
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