piwik no script img

Kommentar Merkel in ChinaDie große Chance

Felix Lee
Felix Lee
Kommentar von Felix Lee und Felix Lee

Es ist richtig, dass die Bundeskanzlerin die Beziehungen mit China intensiviert hat. Sie sollte die Gelegenheit zum Menschenrechtsdialog nutzen.

V ergessen die Zeiten, als Angela Merkel den Dalai Lama noch bei sich im Kanzleramt zu einem „privaten Gedankenaustausch“ empfing und damit den Zorn der chinesischen Führung auf sich zog. Das war vor fünf Jahren.

Die deutsche Kanzlerin reist inzwischen jedes Jahr nach China und damit noch häufiger als ihr Vorgänger Gerhard Schröder - ein bekennender Freund der Führung in Peking, der sich für Wirtschaftsinteressen mehr interessierte als für Menschenrechte. Nun ist es keineswegs falsch, dass Merkel die Beziehungen mit der chinesischen Führung intensiviert hat. Mit den von ihr einberufenen sogenannten Regierungskonsultationen unterstreicht sie, wie bedeutsam die Volksrepublik sowohl politisch als auch wirtschaftlich inzwischen geworden ist. Aber bitte nicht um jeden Preis.

Ja, China ist mächtig geworden und für die deutsche Wirtschaft inzwischen der zweitwichtigste Markt. Allein 2011 lag das Handelsvolumen mit 144 Milliarden Euro so hoch wie bei keinem anderen nicht-europäischen Land. Gegenüber dem Vorjahr sind das noch einmal elf Prozent mehr. Je mehr die Märkte im kränkelnden Europa wegbrechen, desto wichtiger wird der Absatz für deutsche Unternehmen in Fernost.

Bild: taz
Felix Lee

ist China-Korrespondent der taz.

Doch Merkel sollte bei ihrem Besuch eins nicht vergessen: Die Abhängigkeit beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn Chinas Führung anbietet, über die Eurokrise zu reden, ist der Grund nicht Wohlwollen gegenüber den Europäern. Sie fürchtet um ihr eigenes Vermögen. Denn von ihrem gigantischen Devisenschatz in Höhe von 3,2 Billionen Dollar steckt ein nicht unerheblicher Teil auch im Euro.

Bricht er auseinander, würde auch China darunter leiden. Und wenn die chinesische Seite Merkel anbietet, an ihrem zweiten Besuchstag das Endmontagewerk von Airbus in der Stadt Tianjin zu besichtigen, dann geschieht das nicht nur, um den europäischen Flugzeugbauer mit Folgeaufträgen über hundert weitere Maschinen zu beglücken. Die Volksrepublik hat in den kommenden Jahren noch einen enormen Bedarf, ihre Flugzeugflotten auf Vordermann zu bringen.

Die Chinesen brauchen das Know-How der Deutschen. Merkel erhofft sich von ihrem Besuch, den rund 20 Vertreter der Wirtschaft begleiten, nicht nur noch mehr Großaufträge für deutsche Unternehmen. Große Hoffnung setzt sie auch auf ein stärkeres Engagement Chinas bei der Bewältigung der Schuldenkrise in Europa.

Nicht zuletzt schielt sie auch auf den chinesischen Staatsfonds CIC mit einem Investitionsvolumen von fast einer halben Billion Dollar. Bei all diesen Wirtschaftsinteressen sollte sie den Menschenrechtsdialog mit China aber nicht zu kurz kommen lassen. Deutschland hat im Reich der Mitte derzeit ein gutes Standing. Diese Gelegenheit sollte Merkel bei ihrem Besuch nutzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • BM
    Bernardo Markowsky

    Melden sich hier die Neo-Maoisten oder bereitet Ihr Euch auf Duckmäuserzukunft vor? Zum Teufel. "Die Chinesen" haben kein Problem...? In wessen Namen redet Ihr, wenn nicht im Namen der Wirtschaftskriegsgewinnler? Zu der ihr so aufschaut, als ob Ihr dazu gehören möchtet, denkfaul und gefühlstot.

  • B
    Brandt

    Herr Felix Lee hat eine ziemlich seltsame Vorstellung von den Prioritäten deutscher China-Politik. Es gehört überhaupt nicht zu den politischen Zielen der BRD Menschenrechte außerhalb des deutschen Territoriums zu wahren: denn sonst wären die Agrarfonds der Deutschen Bank und der Allianz längst verboten und die Broker dort fänden sich im Gefängnis wieder.

     

    Der Tenor des Artikels von Felix Lee ist sinnfrei, dass die Kanzlerin die Menschenrechte ansprechen soll. Die Rechtsfiktion Menschenrechte ist an die Existenz von Staaten gebunden. Staatenlose und Migranten sind die Gruppen ohne ausreichenden Menschenrechtsschutz.

     

    Der Schutz der Menschenrechte setzt ein individuelles Klagerecht gegen Staaten voraus. Und damit die Schuldsprüche Folgen haben effektive Strafen gegen Staaten.

     

    Die permanente Viktimisierung von Bürgern anderer Staaten mit dem Menschenrechtsdiskurs hilft nicht weiter.

     

    Wer wirklich die Menschenrechte schützen möchte, muss ein internationales Menschenrechts-Gericht schaffen mit eigener Navy, Streitkräften und Luftwaffe, die unabhängig von den Nationalstaaten sind.

     

    Die bewaffneten Streitkräfte zum Schutz der Menschenrechte müssen so stark sein, dass sie jeden schuldigen Staat z.B. die USA, China, Rußland, Großbritannien überwältigen können.

     

    Die Menschenrechte sind eine leere Rechtsfiktion, wenn es kein Gewaltakteur mit gedacht wird, der es gegen die Täter - in der Regel - Staaten durchsetzen kann.

  • T
    Thorben

    Nach meine Infos hat sie es angesprochen und das sollte genügen.

    Kenne viele Chinesen und die scheinen allesamt keine Probleme mit ihrem Land zu haben...und sie haben allesamt ein super Bildungssystem durchlaufen. Ist für mich auch ein Menschenrecht und das wird bei uns seit Jahren mit Füßen getreten.

     

    Eher sollte Deutschland auf Erdöl/Gas aus den muslimischen Ländern verzichten.

  • VM
    Volker Mueller

    Falsch.

    Handel und Investitionen in beiden Richtungen sind gut, das hilft beiden Laendern.

     

    "Menschenrechte", so wie sie im Westen verstanden werden, sind eine einseitige Einmischung in die Angelegenheiten Chinas.

    Man kann ueber alles reden, auch ueber die Entwicklung des Rechtsstaats z.B., aber bitte keine missionarische Haltung.

    China exportiert sein politisches System und seine Wertvorstellung nicht nach Deutschland und umgekehrt sollte es genau so sein.