Kommentar Mehdorn als BER-Chef: Das letzte Aufgebot
Ausgerechnet Mehdorn soll den BER retten. Die Besetzung ist eine Ohrfeige für Wowereit und Platzeck. Der Großflughafen bleibt auf Chaoskurs.
H artmut Mehdorn soll den Berliner Großflughafen in den märkischen Sand setzen. Ausgerechnet Mehdorn. Der Mann, der sich als Bahn-Chef einen Ruf als autoritärer Knilch erarbeitet hat und der als Air-Berlin-Chef wenig wirtschaftliche Kompetenz bewies.
Der mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit persönlich nicht kann und der als Airlineboss gegen die Flughafenbetreiber klagte. Die Entscheidung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft für den 70-Jährigen ist mehr als nur peinlich – sie ist ein Offenbarungseid.
Seit gut einem Jahr versucht die Gesellschaft, getragen von den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund, den Flughafen in die landing position zu bringen. Sie geht dabei so dilettantisch vor, dass Berlin bundesweit zur Lachnummer wurde.
Vier Eröffnungstermine sind geplatzt und die Planer wurden vor die Tür gesetzt – mit ihnen ging viel Wissen verloren. Anfang der Woche schließlich erklärte der vom Aufsichtsrat favorisierte Experte und einstige Fraport-Chef Wilhelm Bender, er habe nicht mal Interesse an einem Beraterposten – die Anteilseigner seien zu zerstritten. Seitdem ist klar: Niemand mehr will sich diesen Job an den Hals binden.
Keine Ruhe
Aus gutem Grund: Es ist völlig ungeklärt, wie schlimm die Situation auf der Baustelle in Schönefeld ist. Derzeit erstellt eine Taskforce im Auftrag von Aufsichtsratschef Matthias Platzeck, auch SPD-Ministerpräsident von Brandenburg, einen Überblick. Mindestens bis Ende des Sommers ruhen deswegen die Arbeiten. Parallel dazu versucht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landes Berlin, die Versäumnisse aufzuarbeiten.
ist Co-Ressortleiter der taz Berlin.
In diese verfahrene Situation kommt nun Hartmut Mehdorn als vermeintlicher Retter in der Not. Doch mit ihm wird in der Flughafengesellschaft und ihrem Aufsichtsrat keine Ruhe einkehren. Mehdorns Berufung, die auf Betreiben von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erfolgt sein dürfte, ist eine Ohrfeige für Klaus Wowereit und, in geringerem Maße, auch für Platzeck, also die beiden bisher politisch für das Desaster Verantwortlichen.
Der Bund als Minderheitseigner hat sich in dieser Frage also durchgesetzt. Und da Mehdorn bei Bahn und Air Berlin bewiesen hat, dass er als kommunikativer Tiefflieger kaum in der Lage ist, in einer solchen Phase vermittelnd zu wirken, kann man sicher sein: Der Großflughafen bleibt auf Chaoskurs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles