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Kommentar Medien und SnowdenGebt uns Popcorn!

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Für die Medien ist die Flucht Edward Snowdens ein spannender Hollywoodstreifen. Dabei sollten sie lieber eine Reihe von Fragen klären.

Her mit dem Popcorn! Es läuft ein Spionagefilm! Bild: janphoto/photocase.com

A uf der Flucht vor den großen Geheimdiensten dieser Welt, ohne gültigen Pass im Transitbereich eines Flughafens, verfolgt von etlichen Journalisten: die Geschichte des US-Whistleblowers Edward Snowden hat alles, was ein Hollywoodstreifen braucht. Der einsame Held kämpft gegen das Unrecht in der Welt. Das Beste: Die Geschichte ist echt, das Ende völlig offen. Wer will sich diesem Stoff entziehen? Niemand.

Dass Edward Snowdens Flucht vor amerikanischen Behörden die Menschen rings um den Globus bewegt, ist nachvollziehbar. Doch die mediale Orchestrierung dieser Flucht sagt nicht nur viel über die Funktionsweisen der Politik aus, sondern auch über die Probleme des politischen Journalismus und die Zuschauerrolle, die Journalisten ebenso gerne einnehmen wie ihre Leserinnen.

Gerade erst hat Snowden zwei der größten Überwachungsaffären in der jüngeren Geschichte westlicher Staaten aufgedeckt. Die Ausforschung privater Daten hat offenbar eine gigantische Dimension und stellt für Tausende, wenn nicht Millionen von Menschen einen unmittelbaren Eingriff in Grundrechte dar. Daraus ergeben sich etliche Fragen: Welche Rolle spielten dabei deutsche Behörden? Mit welcher Dimension von Überwachung müssen BürgerInnen umgehen lernen? Und sollten solche Eingriffe in Grundrechte womöglich in Kauf genommen werden, wenn sie vor Terror, Steuerflucht oder schlechter Stimmung schützen? Berechtigte Fragen.

taz
Martin Kaul

ist taz-Redakteur für Politik von unten und twittert unter @martinkaul.

Der britische Guardian, der die Snowden-Informationen publiziert hat, macht seit Jahren vor, wie intensive Recherchen und eine klare Haltung zu Antworten führen. Was sich in der globalen Medienrezeption nun an die Enthüllungen anschließt, ist dagegen überwiegend ernüchternd. Statt mit den Mitteln der Recherche zu erforschen, welche Konsequenzen sich aus der massenhaften Überwachung durch westliche Staaten ergeben, hechelt die Weltöffentlichkeit einem Mann hinterher, dem für seine Verdienste vor allem eines gebührt: in Ruhe gelassen zu werden.

Diese Inszenierung dürfte den Überwachern dieser Welt nur zu gut gefallen. Je länger Snowden auf irgendeinem Flughafen rumhängt, umso länger dauert das Unterhaltungsprogramm, das von der wirklichen Nachricht ablenkt. Es wirkt mittelalterlich: Der Überbringer der Botschaft soll gefangen werden. Und was rufen wir heute? Gebt uns Popcorn!

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Martin Kaul
Reporter
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13 Kommentare

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  • I
    ion

    @ Gerda,

     

    Bravo, Gerda!

    Zumindest wurde jetzt ihr Lk in solchem Tenor freigeschaltet!!

     

    Und die taz darf sich das hinter die Ohren schreiben, wird sie aber nicht; stattdessen kooperiert die mit ’nem Sack voller minderbegabten KolumnenklitterInnen, auf die dann, und nur dann jeder unzensiert mit: „Danke, Anke!“ repliziert werden darf.

  • G
    Gerda

    Die angeblich vierte Macht in einem Staat - die Medien! die Pressefreiheit! - versagt.

     

    Würden sich die meisten Medien weltweit auf die Seite von Edward Snowden, Julian Assange, Bradley Manning und jetzt auch James Cartwright stellen und diese vier Männer - drei freie US-Amerikaner und ein freier Australier! - vor der Willkür der Verfolgung öffentlich in Schutz nehmen und gegenüber allen mitverantwortlichen Regierungen klarstellen, daß sie in keinster Weise Verräter und Verbrecher sind, dann, ja dann müßten die mitverantwortlichen Regierungen umdenken und ihr Handeln selbstkritisch hinterfragen.

     

    Dann, ja dann hätten diese vier Männer eine Chance, gerettet zu werden und für ihr friedliches, aufrechtes Gewissen anerkannt und gewürdigt zu werden.

  • T
    Takoda23

    Danke für diesen Artikel,

     

    und nun taz, da ihr diese erkenntnis habt, fangt ihr jetzt endlich an, den überwachungswahn der großen brüder und die stille kooperation unserer regierung an den pranger zu stellen? oder bleibts bei unserer regierung will nicht und kann ja eh nichts machen, nicht so schlimm?

     

    bin nahe dran, den glauben an euch zu verlieren.

     

    gruß

  • AU
    Andreas Urstadt

    Ein Beispiel aus einem Mobbingfall zur (begutachteten) Veranschaulichung, was da eigentlich passiert beim Abspitzeln:

     

    Reife, Maturitaet und Freiheit werden verweigert. Die Betroffenen werden auf eine abgestufte Position geswitched, domestiziert und die Position kann man auch die Position eines Kindes nennen. Andere bespitzeln in solchen Formen ist ein Akt der Entmuendigung.

     

    Mehr muss man dazu nicht sagen.

     

    Das bottom up ist institutionalisiert und qua Art und Weise Gewalt, denn Macht setzt immer Gegenmacht voraus, die Moeglichkeit wird beim Spionieren heimtueckisch unterlaufen. Kommunikation ist ein Grundbeduerfnis und Grundrecht und Kommunikationsverzicht somit keine Option.

     

    Die Medien recherchieren nicht nur nicht, sie sind auch ziemlich doof.

     

    Wenn Staaten auf Gewaltmonopol pochen gilt das nur in deren eigenen Landesgrenzen. Geht man darueber hinaus, greift man in die Grundrechte anderer Buerger ein und das mit einem Gewaltverhaeltnis, d h die anderen Staaten muessen ihre Buerger davor schuetzen. Tun sie s nicht, lassen sie sich kastrieren. Solche Kastraten sind m E unwaehlbar.

  • GL
    Guido Lee Beedo

    ich glaube ja, trotz allem ;-) immer noch an das gute im menschen

     

    hey,.Problem – Peer, das ist deine aller letzte chance, noch ´was zu reissen, gegen mutti merkel.

    setz dich dafür ein, mach dich stark , dafür dass Edward Snowden in deutschland asyl bekommt , weise damit die usa in ihre schranken und zeig denen, wir ein eigenes profil haben und nicht deren speichellecker sind....

    und, wenn wirklich es so viele mit snowdon sympathisieren....dann sind dir 50 % sicher....

  • G
    Gergro

    Halten Sie durch, Mister Snowden. Richard Kimble hat es auch geschafft!

  • I
    Irmi

    Er soll einfach still und leise verschwinden, sein Äußeres verändern, sich nicht erwischen lassen. Die Welt soll ihm dankbar sein, das er aufdeckte wer die Lauscher und Spione sind, die einige Rechte gebrochen haben weltweit. Ich wünsche dem jungen Mann viel, viel Glück und einen Platz wo er bleiben kann.

     

    Man kann und darf nicht alles damit vertuschen, den Terror abwenden zu wollen. Würden so manche Länder und deren Politiker nicht so drastische Fehler machen, müssten sie keine Angst vor Terror haben, weil es dann keinen gäbe.

  • LR
    Ludwig Ramenthal

    sehr geehrter herr journalistin: "... die Journalisten ebenso gerne einnehmen wie ihre Leserinnen". dürfen nur männliche journalisten für weibliche leserinnen schreiben? wieder mal über die super korrekten beine gestolpert?

  • C
    ChriPlu

    Endlich mal ein anderer Ton seitens der Medien.

    Auf welcher Seite stehen eigentlich die großen Meinungsmacher? Muss man jetzt schon Journalisten ebenso fürchten wie die Geheimdienste? ich finde auch, lasst ihn in Ruhe oder helft ihm unterzuschlüpfen, aber helft nicht noch bei der Auslieferung. Die nächste Drohne kommt bestimmt.

  • M
    Marc

    Danke Taz!

    Absolut richtige Feststellung. Es ist ernüchternd, wieviele -gerade auch öffentlich-rechtliche Medien- ein Räuber und Gendarmspiel zu inszenieren versuchen.

  • RB
    Rainer B.

    Sag ich doch!

  • F
    Fabian

    Absolut meine Meinung. Die Debatte muss jetzt und in allen Formen geführt werden. Wie wollen wir zukünftig mit der Sicherheit unserer Daten umgehen?

  • HS
    h s

    Die Ueberwacher dieser Welt wissen die Machteliten dieser Welt auf ihrer Seite, so oder so. Und natuerlich liefern die grossen Medien entsprechende Ablenkung, Brot und Spiele. Der Taeter ist Snowden, das Unrecht der Verrat, die spannende Geschichte die Flucht. Weitergehen, keine Fragen stellen, hier gibt es nichts zu sehen...

     

    Verschwoerungstheorie? Natuerlich(sic!)